Das Kleine Fest im Großen Garten feiert Jubiläum
Von gewagten Sprüngen, grazilen Balletttänzerinnen und einer lustigen Rattenbande
15.07.2015 [sh] 30 Jahre und kein bisschen älter. Das Kleine Fest im Großen Garten ist größer geworden, fürwahr. Es hat Erfahrungen gesammelt, sogar Kinder bekommen und hat diese wachsen sehen. Auch garantiert so manch Falte oder graues Haar ist über die Jahre hinzugekommen. Aber eines jedoch ist definitiv klar. Nie hat man vergessen, wie ein Kind zu fühlen. Noch heute wissen die Macher der Kleinen Feste, wie man Augen zum Strahlen bringt, die Neugier weckt, ein Lächeln auf die Lippen zaubert, Menschen in Staunen versetzt und der Seele so viel Gutes tut. Ob mit atemberaubender Akrobatik, zauberhafter Magie, fantasievollen Walk-Acts, mit Comedy, Varieté und Poesie oder mit Musik, Tanz und Theater, die Besucher sind jedes Jahr aufs Neue begeistert. So ist es auch kein Wunder, dass Jahr für Jahr die Kartenwünsche das angebotene Kontingent um ein Vielfaches übersteigen. Im Jubiläumsjahr hat man noch einmal behutsam aufgestockt und vier Veranstaltungstage mehr ins Programm genommen. Noch bis zum 30. Juli ist es möglich dem Kleinen Fest seine Glückwünsche zu überbringen. Neben den Losglücklichen werden allabendlich weitere 200 Karten an der Abendkasse angeboten und finden natürlich reißenden Absatz. Hier gilt natürlich ganz besonders: „Der frühe Vogel fängt den Wurm bzw. in diesem Fall die Eintrittskarte“.
Vorfreude begleitet mich schon den ganzen Tag, denn der heutige Abend steht ganz im Zeichen des Kleinen Festes. Als ich gegen 17.30 Uhr die Herrenhäuser Gärten erreiche, ist die Abendkasse bereits geschlossen. Ich folge dem Strom der Besucher, vorbei an den Pirouetten drehenden Ballerinen, hin zu den Festwiesen, welche sich kurzerhand in große Picknickwiesen verwandelt haben. Mit allerlei Köstlichkeiten und einem Glas Sekt wird so der Jubiläumsabend feierlich eingeleitet. Marschgesänge hallen über den Platz. Der Duft der aufgetischten Naschereien hat eine Horde Waldameisen angelockt, die nun ihrerseits versuchen, so manch Leckerei zu erhaschen. Auch Merkel und Vannix frönen ihrer Sammelleidenschaft. Ihre Riesenkörbe sind vollgepackt mit Fundsachen, Raritäten, kleinen Schätzen und allem was man nicht liegen lassen kann. Im Laufe des Abends werden sie mir noch einige Male über den Weg laufen, wenn sie neugierig die Pfade erkunden.
Bei der feierlichen Begrüßung wird Schirmherr und Initiator Herr Böhlmann, auch bekannt als der Mann mit dem Zylinder, von einigen der internationalen Künstler unterstützt. Gemeinsam heißen sie die Gäste willkommen und geben den Startschuss für die heutige Veranstaltung. Während der Strom zielstrebig die Bühnen anpeilt, fallen mir in der Ferne zwei fantasievoll gekleidete Gestalten auf. Ich folge ihnen und stehe prompt vor dem Frisierpavillon des spanischen Künstlerduos Osadia. Sie kreieren mit viel Farbe und allerlei Materialien originelle, wie auch gewagte Haarkunst und lassen deren Träger als ein Teil des Kleinen Festes erscheinen. Auch Madame Chapeau hat sich der Verschönerung der Besucher, mittels exklusiver und ausgefallener Hutkreationen, verschrieben. Mit einem erfrischenden Eis beglückt Eis Ali die Zuschauer. „Ein Eis oder Kein Eis, ist hier die Frage“ – denn Ali jongliert die kühle Köstlichkeit mit flinken Fingern.
Ein spitzbübisches Duell um die musikalische Vorherrschaft hingegen liefern sich Gogol und Mäx. Mit atemberaubender Artistik rund um, mit und auf dem Klavier, sowie jeder Menge Witz erfreuen sie das Publikum. Ebenfalls akrobatisch präsentieren sich 15Feet6 mit dem Russischen Barren oder dem Chinesischen Mast. Ihre spektakulären Sprünge und beeindruckenden Balanceakte versetzen die Anwesenden in Staunen. Auch Roikkuva beweisen extreme Körperbeherrschung bei ihrer leidenschaftlichen Seiltanzakrobatik.
Mein Weg führt mich weiter. Charmeur Sascha Grammel ist heute in Begleitung von Herrn Schröder als Gratulant zum Kleinen Fest erschienen. Seine Bühne ist enorm frequentiert und so ziehe ich weiter auf der Suche nach einem freien Plätzchen. Unterwegs begegne ich Lasse, Leila und Lola vom Scharniertheater. Für sie ist der Garten der schönste Spielplatz, den sie sich vorstellen können. Nicht nur, dass sie den unzähligen Gästen jede Menge Süßigkeiten und andere Leckereien abluchsen können, so beschwert sich auch niemand über die Lautstärke ihrer Musik und vor allem haben sie genügend Platz um ihren Drachen steigen zu lassen. Nicht nur spielen möchte die Australierin Shirlee Sunflower. Auf der Suche nach der großen Liebe, hat sie sogleich ihren Heiratskandidaten unter den Zuschauern auserkoren. Ein waghalsiger Sprung in die Arme der Chippendales, die sie auf elegante Weise zu ihrem Angebeteten tragen sollen, geben dem Heiratsantrag die richtige Würze.
Pantao‘s Vogelbäume ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Wunder der Natur, hervorgebracht aus einer inbrünstigen Liaison einer stattlichen Eiche zu einem tollkühnen Vogel. Draufgängerisch und neugierig erkunden sie ihre Umgebung. Da kommen die quirligen Waldameisen gerade recht. Alle Berührungsängste über Bord werfend, nähern sich beide Spezies an und können voneinander lernen. Wissbegierig zeigen sich auch der Hofstaat um Marquis d´ Escargot. Jegliche Entdeckung muss erst einmal begutachtet und in allen Facetten beschrieben und erklärt werden. Des Weiteren sinnieren sie poetisch über das Zeitgefüge und der Baroness Abalonia de l’Atlantique wird dabei schon ganz “schwummerant” zumute. Im Schneckentempo ziehen die sie ganz im Sinne von „Eile mit Weile“ weiter, um jeglichen Gefahren durch auftretende Fliehkräfte zu entgehen.
Der Duft der Mokkamaker fängt mich ein. Also nehme ich mir die Schneckenparade der Art Tremondo zum Vorbild und gönne mir ganz im Sinne von „Dem Glücklichen schlägt keine Stunde“ eine Pause. Die Auswahl an orientalischen Köstlichkeiten, kühlen Erfrischungen macht die Entscheidung schwer aber dennoch nicht unmöglich. Unterdessen lässt die gestrenge Ballettlehrerin ihre Le Ballerine elegante Pirouetten drehen. Als jedoch plötzlich die verrückte Rattenbande auftaucht, ist jeglicher Unterricht vergessen. Neugierig erkunden die frechen Nager alles was ihnen vor die Nase kommt und finden sogar ab und an etwas Fressbares. Einhalt kann nur der Rattenfänger gebieten. Wenn er schlussendlich den kleinen Ausreißern die Flötentöne beibringt, folgen sie ihm brav überall hin. Wie der Rattenfänger die Ratten, so haben Tambour und Tambourmajor ihre Gänse im Griff. Im Gänsemarsch und mit lautem Geschnatter machen sie sich den Garten zu Eigen. Ganz still hingegen, versteckt hinter Bäumen, beobachtet Frans, der kleine schüchterne Clown das Geschehen um sich. Es folgt ein schüchterner Blick, eine scheue Begegnung, eine Unterhaltung, ohne Worte, aber dafür mit unendlich viel Gefühl.
Wo ist die Zeit nur geblieben? Unbemerkt aber doch unaufhaltsam bemächtigt sich die Abenddämmerung des Gartens. Zudem erobert ein Untergangsszenariograu den Himmel und öffnet unerwartet die Regenschleusen. Herr Böhlmann gibt Entwarnung und so kann mit ein wenig Verspätung das Finale starten. Noch einmal richtet er ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten, Sponsoren, Akteure und die zahlreichen Besucher, die dem Kleinen Fest nun schon bereits seit 30 Jahren die Treue halten. Gemeinsam blickt man noch einmal gen Himmel und genießt das von barocker Musik untermalte Feuerwerk, welches den Himmel über den großen Gärten von Hannover erhellt und den Jubiläumsabend krönt.
Wieder einmal ist es den Machern gelungen, einen einmaligen Abend zu gestalten, den Besuchern den Alltag vergessen zu lassen und deren Augen und Herzen für die schönen Dinge zu öffnen. Ein wundervoller Abend, mit vielen Überraschungen, liebgewonnenen Gesichtern und magischen Begegnungen. Ein Ereignis, welches zu Beschreiben kaum in Worte zu fassen ist, einzig man muss es erlebt haben. Nutzen Sie die Möglichkeit. Noch bis zum 30. Juli heißt es: „Treten Sie ein und lassen Sie sich verzaubern.“