DJ BoBo auf Fantasy Tour 2010
Eine Zeitreise zurück in die 90er
06.06.2010 [db] Ob man seine Songs nun mag oder nicht, eines muss man DJ BoBo lassen, er versteht es, eine Show zu inszenieren. René Baumann, der kleine Schweizer mit der Affinität zu Tanz und Gesang, entstammt einer musikalischen Epoche, an die sich viele von uns nicht mehr erinnern wollen. Und doch waren so viele dabei und kaum einer kann von sich behaupten, nicht schon einmal einen waschechten DJ BoBo-Song gehört zu haben. Als in den 1990er Jahren der Eurodance auf dem Vormarsch war, war DJ BoBo ganz vorne mit dabei und ist ihm bis heute treu geblieben. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht er Alben. Und seit längerem stehen seine Konzerttourneen unter einem speziellen Motto, sind vielmehr Inszenierung als Konzert – nehmen gigantische Ausmaße an, die mit einer Céline Dion-Show im Colloseum des Caesars Palace in Las Vegas durchaus konkurrieren können. Und vielleicht ist das das Ziel des Weges, den René Baumann alias DJ BoBo so konsequent beschreitet. Wenn man die Werbung im Vorfeld beachtet, dann ist das durchaus denkbar. So spielt BoBo rund um Halloween im Europa Park mehrfach seine Fantasy Show.
Doch zurück zur Tour. Ich gebe es zu, ich bin ein Kind der 90er, in meinem CD-Regal befand sich tatsächlich eine Maxi-CD des Schweizers. Welcher Titel genau, das vermag ich heute nicht mehr zu erinnern – wohl aber weiß ich, dass DJ BoBo-Songs zur festen Playlist der Radiosender und der Musikkanäle zählten, neben anderen Vertretern des Europop wie Haddaway, 2 Unlimited, Captain Jack, Culture Beat und Captain Hollywood. Dass sich noch eine Menge Leute an diese Zeit erinnern können, zeigte sich schon am Einlass zur Messehalle. Die Schlange wollte kein Ende nehmen. Vorrangig standen dort Mittvierziger an, vereinzelt Kinder mit ihren Eltern, aber die Waage pendelte sich bei Mitte Vierzig ein. Als wir schließlich in die Messehalle hineingingen, wartete die erste Überraschung auf uns: Sitze. Der Hinweis der freundlichen Mitarbeiterin am Presseterminal: „Fotografisch dürft ihr euch austoben, aber getanzt wird nur im Sitzen.“ Okay. Brav suchten wir unsere Plätze und lasen uns während das Vorprogramm lief, das auf den Stühlen hinterlegte DJ BoBo-Magazin durch. Doch mit einem Schlag wurde das Magazin vollkommen uninteressant, denn der eigentliche Supportact betrat die Bühne – ein echtes Urgestein der Eurodancer von damals und mit 47 Jahren scheinbar fit wie ein Turnschuh: Captain Hollywood. „Ich möchte euch mit zurücknehmen in die 90er Jahre. Wir feiern eine 90er Jahre Party!“ Sprach‘s und gab seine Hits aus diesem – seinem – Jahrzehnt zum Besten. Ah! Da wurden wirklich Kindheitserinnerungen wach – Rap und Gesang, der irgendwie immer wieder gleich klang, dazu durchgestylte Choreographien und halbnackte Frauen, meist blond, unterlegt mit einem milden Technosound. Das war Nostalgie pur. Da bekommt selbst eine Reporterin mal ganz sanft Gänsehaut. „Auf die 90er Jahre! Unsere Zeit, Baby!“ Dinosaurier aus einer Musikepoche, die im Grunde längst vergangen ist, die aber nicht aufhören kann zu pulsieren.
Nachdem für Captain Hollywood der Vorhang fiel, öffnete sich ein anderer. Aus dem Nichts tauchte im hinteren Bereich der Messehalle, nur durch einen Spot angestrahlt, eine Art Elfe auf, tänzelte durch das Publikum, um sich schließlich auf der Bühne niederzulassen und mit ihren Händen Schattenspiele aufzuführen. Aus einem Schatten wuchs ein größerer, der Schatten wurde Licht und sichtbar wurde vor allem anderen eine gigantische Kulisse. Ein Buddha, auf dessen Armen die Band stand, dessen Arme als Tanzfläche herhielten und der umrahmt war von einer unglaublichen Lichtshow und Pyrotechnik. Hier stand wirklich niemand im Schatten. Dazwischen tummelten sich Elfen, Amazonen, Krieger und Ureinwohner. Thronend über allem, selbst wenn er einmal nicht ganz oben stand, war DJ BoBo. Der Musiker ist inzwischen auch schon 42 Jahre alt und „zehrt“ noch heute von seinen Erfolgen, die 1993 mit der Single „Somebody Dance With Me“, ihren Lauf nahmen. Er hat es schlauer angestellt als manch anderer aus seiner Musikszene. Sie alle sind nach und nach in der Versenkung verschwunden. DJ BoBo nicht. Er hat es wirklich clever angestellt. Seinen Stil hat er über die Jahre nicht geändert, auch wenn die letzten Veröffentlichungen deutlich rockiger geworden sind. Doch er hat einen entscheidenden Vorteil – er bietet kein 08/15-Konzert. Er bietet eine Show mit erstklassigem Entertainment. Verständlich, dass es seine Fans nicht auf den Sitzen gehalten hat.