Festivalpremiere in Oberfranken: Rock in Concert Tag II
Der In Extremo-Tag mit Subway to Sally, Apokalyptische Reiter und Sabaton
18.06.2011 [db] Der erste Tag des Festivals hat gerockt, der zweite Tag verspricht Mittelalterrock und Folk. Aber erst einmal, werde ich einen Blick aus dem Zelt heraus wagen. Die ganze Nacht über hat es weiter geregnet. Einige bauen bereits ihre Zelte ab, andere bauen ihre gerade auf. Aus dem Nachbarzelt schallt Peter Maffay und im Stadion machen sich Wolfchant für ihren Auftritt bereit. Es ist erstaunlich, wie viele Festivalgänger so früh am Morgen schon vor der Bühne stehen, um die erste Band zu erleben. Was die Jungs abliefern ist ordentlich, die zweite Band des Tages toppt das. Statt Suidakra stehen Varg auf der Bühne und das Wolfsrudel vor der Bühne verdoppelt sich. 11.30Uhr gibt es die erste anständige Wall of Death im Waldstadion von Weismain. „Blutaar“ wirkt. Hunderte Hände recken sich gen Himmel und brüllen den Text mit. So früh am Morgen hätten sie noch nie gespielt, meint Sänger Philip. Das mindert den Auftritt aber nicht im Geringsten. Wo Varg sind, sind die Wölfe. Nur wo bleibt die Sonne? Ich will Sonne! Der vom Regen aufgeweichte Boden könnte das grad gut gebrauchen, sonst wird der zweite Festivaltag zu einer Rutschpartie.
Beim Blick vom Balkon der Presselounge herunter sehe ich schon das Symbol der Sternenreisen stehen. In Extremo sind bereits da. Wenn das Wetter mitspielt, wird das heute wieder ein feiner Tag in Oberfranken. Beim Auftritt von Van Canto sagt mein Mann zu mir: „So, Oper ist gestrichen. Du hattest jetzt Van Canto. Ramadamma Damm Damm.“ Ganz ehrlich, meine Lieblinge werden die A Capella-Metaler nicht. Das klingt teilweise stark nach den Prinzen. Und das muss ich in diesem Leben nicht noch einmal haben. Da haben mir Suidakra zuvor doch wesentlich besser gefallen. Die hatten Gitarren. Die ließen die Köpfe kreisen. Die haben gerockt. Zum Glück folgen auf den Unplugged Auftritt jetzt gleich Fiddlers Green. Das wird fein. Die Irish Folrrocker halten, was die Verpackung verspricht. Ab 15:00Uhr erklingen im Stadion Trinklieder. Fiddlers Green liefern das Kontrastprogramm zu den vorhergehenden Bands und weisen den Weg Richtung Headliner. Der Circle Pit kann sich sehen lassen. Von der ersten Reihe bis nach hinten zu den Merchständen drehen sich die Fans im Kreis. Ein herrliches Bild, das von den Fiddlers auch mit „Ah, ist das schön“ gewürdigt wird. Fragt sich nur, ob die Leute auf der Tribüne auch im Sitzen mitgetanzt haben. Bei der einstündigen Show blieb im Stadion jedenfalls kein Fuß still stehen. Wie Bertram Klee, der Veranstalter, später sagen wird: „Fiddlers Green haben die Menge gerade prächtig unterhalten.“
Jetzt kommen die Finnen. Die „schwerttragenden“ Vikingmetaler von Ensiferum lassen die Köpfe im Publikum weiter kreisen. Der Wechsel zwischen Metal und Folkrock am heutigen Tage lässt wahrlich keine ruhige Minute zu. Das sieht man dann auch bei den Apokalyptischen Reitern, die mit Fahne und Peitsche bewaffnet sachte die Wall of Death wiederbeleben, um mit Stücken aus dem neuen Album „Wahnsinn und Moral“ die Reitermania in Weismain zu entfesseln. Und schon kommt die Sonne wieder raus. Um die 4,500 Besucher sind es heute. Kein schlechter Schnitt, mit den 6,500 Besuchern des Vortages. Im kommenden Jahr werden die Headliner früher präsentiert, so Bertram Klee bei der zweiten Pressekonferenz: „Das diesjährige Open Air war eher ein Schnellschuss.“ Nichtsdestotrotz ist der Einstand gelungen. Man darf also auf ein Rock in Concert 2012 gespannt sein. Überhaupt ist es auch von Seiten der Sänitäter und der Polizei ein sehr ruhiges und entspanntes Festival geworden. Lediglich eine Ausnüchterung und drei Handyfunde seien zu vermelden. Und die Besucher würden gegenseitig aufeinander Acht geben. Wenn medizinische Not am Mann sei, könne man daher sehr schnell eingreifen. Die Rettungskräfte sind ehrenamtlich vor Ort. Cirka 140 kleiner Notfälle hätten sie in den Festivaltagen gehabt – ein guter Schnitt, da nichts wirklich ernsthaftes vorgefallen sei. So wie es momentan aussieht, könnte sich Weismain in Oberfranken zu einem neuen Festivalmekka etablieren. Wobei Topacts wie Alice Cooper, Motörhead, In Extremo, Sabaton oder Subway to Sally erst einmal getoppt werden wollen.
Als Sabaton gegen 19.30Uhr und dem sagenhaften Intro „The Final Countdown“ die Bühne betreten, scheint sich die Sonne zu denken, dass es höchste Zeit wäre, noch einmal über das Waldstadion zu scheinen. Die Spiegelung des Publikums in Joakim Brodéns Brille und die Sonnen liefern sich ein Wettrennen. Sabaton sind in Spiellaune und liefern Oldschool-Power Metal ab, der ihre Fans nach einem Glas Bier mehr schreien lässt. Der Countdown für das Rock in Concert läuft. Beinahe schade, dass es nach Sabaton „nur“ noch zwei Bands zu bieten hat. Doch die beiden haben es in sich. Im Fotograben ist die Pyrotechnik über den Tag verteilt bereits aufgebaut worden. Die Mittelaltergrößen, die das Festival zum Abschluss bringen werden, werden heiß. Angesichts des Supports für In Extremo, die das Festival abschließen werden, kann ich mir ein Grinsen dann doch nicht verkneifen. Unbekannte sind sie ja nicht. Keineswegs. Dass Subway to Sally aber mal für In Extremo die Vorband geben würden, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Schließlich „teilen“ sich da zwei richtige musikalische Schwergewichte die Bühne. In Extremo bleiben mit ihrem neuen Silberling „Sternenreisen“ weiterhin auf dem Gipfel des Mittalterrocks. Sympathisch wie eh – und ich möchte an dieser Stelle auch nichts von „Ausverkauf“ oder Mainstream hören. Die Jungs haben sich den Erfolg über die Jahre erarbeitet und machen nach wie vor das, was sie als Spielleute am besten können: Auftreten. Beide Bands – Subway to Sally und In Extremo – sind sehr präsent. Immer gewesen. Wenn sie nicht ihre eigenen Touren fahren, dann sind sie auf den Festivals im In- und Ausland vertreten. Und sie sind immer eine Reise wert. Eric Fish lässt eine Wall of Love vor der Bühne entstehen. Ja, keine Wall of Death. Nein, hier wird nicht durcheinander gemosht. Hier wird umarmt. Viel Licht, viel Rauch, viel Feuer. Viele liebgewonnene Lieder der Spielleute und neue Songs. Gekauft habe ich mir eben aber doch den In Extremo-Windbreaker. Der hält wärmer. Ah, die Freiheit ist, was wir lieben! In Extremo zünden ein finales Feuerwerk und lassen ihre Fans an diesem Abend ein letztes Mal die Freiheit spüren und leben. Ich bin als Schreibende vorbelastet, wenn mein Herz an diesen Spielmännern hängt. Aber In Extremo live auf der Bühne zu erleben ist doch ein bisschen besser als Subway to Sally. Denn dieses Gefühl, dass alles möglich ist und jeder Traum wahr werden kann, den vermitteln mir nur Micha Rhein und seine Mannen. Ihre Musik transportiert einen unbändigen Lebenswillen. Besser kann man ein Festival nicht zum Abschluss bringen: „Schließ die Augen, glaube mir. Wir werden fliegen übers Meer.“ Ich glaube euch!
Ich mache auf Festivals sehr gerne Peoplebilder. Manchen kramen wahrscheinlich tagelang in Omas Wäschetruhe, um ein geblümtes Kleid übers Wochenende ausführen zu können oder arbeiten intensiv an Haar und Make Up. Auf dem Rock in Concert habe ich das fast weggelassen, da bei dem straffen Zeitplan kaum Zeit dafür blieb. Was aber kein Manko sein soll. Denn oftmals muss man zwischen den Acts viel Geduld beweisen, bis alles aufgebaut und gecheckt ist. Ich erinnere mich an den Auftritt von Eluveitie auf dem Party.San 2009, die ihre 30 Minuten Umbaupause auf sagenhafte eineinhalb Stunden ausweiteten und einige Besucher derweil schon das Weite suchten. Auf diesem Festival hier kam man zu keiner Stunde in die Verlegenheit. Ich bin gespannt auf das Rock in Concert Open Air 2012. Die Erfahrungen dieses Jahres können das Festival nur zu einem noch besseren seiner Art machen und die zukünftigen Sommer um ein lohnenswertes Event mehr bereichern. Rock on!