Herzblut heißt Leidenschaft
Von Melancholie, Schattenboten und einem unzüchtigen Kettenhund
05.03.2016 [sh] Wir schreiben Anfang März. Der kalendarische Frühling steht vor der Tür. Das Wetter jedoch scheint davon noch nichts mitbekommen zu haben. Es ist nass, es ist kalt, es ist trüb und das Schlimmste, es ist grau. Die Eventabstinenz verursacht Melancholie. Die Winterpause ist einfach schon zu lang. Festivalfeeling sieht eindeutig anders aus. Aber Halt! Ein Lichtblick. Besserung auf Rezept. Das Rezept heißt Herzblut, Herzblut heißt Leidenschaft und mit Leidenschaft wird aus tristem Grau wieder schwarz, ein kräftiges dunkles allumfassendes Schwarz. Das Herzblut lädt ein, das Line Up interessant, somit gilt die Festivalsaison 2016 als eröffnet.
Samstagnachmittag auf dem Weg nach Hildesheim. Das Herz macht einen Sprung, das Gefühl „nach Hause“ zu kommen, euphorisiert. Ein Heer hunderter Gleichgesinnter tummelt sich vor dem Einlass in die Halle 39. Alle sind hungrig nach guter Musik, lang vermissten Freunden, einem Hauch Patchouli, aber allem voran, einem kleinen Stück schwarzer Familientreffenatmosphäre. Die Zeit bis bzw. zwischen den Konzerten kann man sich seiner Merch-Shopping-Lust hingeben, Essen, Trinken und vor allem mit Reden vertreiben.
17.00 Uhr, die Halle ist nur mäßig gefüllt. Die Uhrzeit scheint definitiv nicht Gothic-konform zu sein. Mystigma eröffnen nicht nur den Festivalabend, sondern starten zugleich ihre Tour zum aktuellen Album „Schattenboten“. Souverän performen sie ihre Songs und hüllen die Besucher in eine düstere Wolke aus melancholischen Texten ein.
Jung und rockig wird es mit One I Cinema, die mit kräftigen Gitarrenriffs eine frische Brise durch die Halle jagen. Jedoch macht die Technik immer wieder Probleme, so dass ihre Leidenschaft in der bei den Anwesenden vorhandenen Melancholie untergeht. Nun wurde ihre Beteiligung am WGT bekannt gegeben, hoffen wir, dass sie dort die Chance bekommen, die Besucher von den Hockern zu stubsen.
Nun stehen Ost+Front auf der Bühne und die Halle wird ihrem Fassungsvermögen gerecht. Bis in die letzten Reihen wird mitgefeiert, lauthals mitgesungen und kräftig geklatscht. Mit brachialem Sound, detailreichen Bühnenoutfits, jeder Menge Kunstblut und eindringlichen Texten ziehen sie ihre Anhänger vor die Bühne. Wer kann auch schon die Hände still halten, wenn man ein so frivol bettelndes „Bitte schlag mich“ um die Ohren gehauen bekommt. Wie unzüchtig!
Mit Unzucht geht es auch weiter. Nun scheint die Halle zu bersten, die Boxen allerdings auch. Wohl dem der gute Ohrschützer hat. Frontmann Daniel ist eine echte Rampensau, meine Bewunderung hat er. Unzucht gehen mit ihren Texten nicht nur ans Herz, sie machen auch verdammt Spaß. Ob mit „Seelenblind“ das Herz drückt, die Melancholie mit „Schweigen“ Einzug hält oder die „Nonne“ immer geiler wird. Die Fans sind lautstark und textsicher, auf der Bühne steigt die Party und die Stimmungsspirale erklimmt ungeahnte Höhen. Jedoch „Zeit hat nur die Ewigkeit“, so neigt sich auch dieses Konzert unwillkürlich dem Ende. Neues von den Jungs gibt es in Kürze, denn am 11. März erscheint das neue Album „Kettenhund“.
Nach der unzüchtigen Party wird es nun ruhiger. Mit viel Gefühl, Lacrimas Profundere und wiederum Tonproblemen geht es in die nächste Runde. Die Balade „My Mescaline“ bahnt sich den Weg in die Herzen, während die Akustikversion von „No Matter Where You Shoot Me Down“ die Ohren erfreut und „Again It´s Over“ das Blut wieder in Wallung bringt
Megaherz leiten das Finale ein und die Fans folgen. Es wird laut, es wird hart, es wird böse. Wer hat wohl Angst vorm „schwarzen Mann“? Kindergeburtstag war gestern, heut geht’s in Zombieland. Das Stimmungsbarometer wird noch einmal in die Höhe getrieben und Frontmann Lex zeigt wo der Hammer oder wohl doch eher der Baseballschläger hängt.
Ein abwechslungsreicher Abend, ein tolle Location und ein guter Festivalauftakt. Der Frühling kann kommen.