Ja Ja! Merci beaucoup.
Das Campusfest an der Universität Erfurt 2010
24.06.2010 [db] Gilbert Barracque und der Junge im blauen Shirt. Als Franzose “mit Leib und Seele” hat man es manchmal schwer. Die lichtscheuen Studenten und alle anderen, die sich an diesem Donnerstag auf dem Grün vor der Unibibliothek einfinden, verkriechen sich lieber im Schatten – unter Bäumen und Sonnenschirmen. Und vor der Bühne bleibt einzig ein Junge in einem blauen T-Shirt. Ganz alleine in der ersten Reihe, bis auch er sich in den Schatten verzieht. Als dann die Tochter der Saxophonistin nicht einmal auf Kommando klatschen will, verliert Gilbert glatt seinen französischen Akzent. Den Thüringer in sich kann man letztendlich nicht verleugnen. Franzose hin oder her. Willkommen zum Campusfest. Und dann lassen doch noch ein paar Sonnenanbeter die Hüften – oder besser “Üften” – kreisen. Zwischendurch wird rotzig nach Heizlüftern und Schokoladensoße verlangt. Lachen aus dem Schatten. Der Beat der 1960er und 70er lässt die Füße sacht mitwippen, wenn diese Hitze nicht wäre, wär noch mehr drin. Ich spüre schon den nahenden Sonnenbrand.
Die Vergabe des Preises der Lehre habe ich verpasst. Ich nenn ihn jetzt “den jungen Mann mit dem Zopf” – er verrät mir, dass PD Hartmut Roloff der diesjährige Preisträger ist. Dozent an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät, lehrt Mathematik und ist ein “Topmann”. Klar, sonst hätte er den Preis nicht bekommen. Ob er sich das Treiben auf dem Platz heute auch noch ansehen wird? Dann wäre er mit Sicherheit einer der vielen Leute, die sich um die Getränkestände scharren, in der Hoffnung auf ein kühles Getränk. Als ich dort eine „kalte“ Cola bestelle, bekomme ich eine warme, wirklich warme Cola mit einem Eiswürfel, der kurz ums Überleben kämpft, sich dann aber doch in Wohlgefallen auflöst. Genutzt hat es nichts, das Getränk bleibt scheußlich warm. Dass sich auch die Technik den Temperaturen ergibt, müssen die Fast Food Cannibals feststellen, als ihr Sound mehr mono als stereo aus den Boxen schallt. Stefan Morgenstern und Lin Dittmann von den Erfurter Lokalhelden Acoustica gehen mit zwei Mitstreitern einen anderen, ungewohnten musikalischen Weg. Rockig geht es bei Acoustica ja auch ab und an zu, aber der Rock der Fast Food Cannibals ist etwas ernster gemeint. Zwar verlässt Lin Dittmann zwischendurch die Bühne und das Schlagzeug bleibt stumm, was Stefan mit den Worten „Ja, der Schlagzeuger ist grad weg, ich weiß auch nicht, wann er wieder kommt, aber ihr kriegt das eh nicht mit“ kommentiert, doch sie ziehen ihre Show durch. Nach kurzer Zeit auch wieder mit Schlagzeuger. Sie geben sich alle Mühe, rocken, was das Zeug hält, aber der Platz vor der Bühne bleibt leer. Was nicht heißt, dass sie kein Publikum haben. Überhaupt muss man den beiden ersten Bands an dieser Stelle wohl etwas Trost spenden: Ihr wart super! Wir haben euch gehört! Wir haben euch gesehen! Nur war es uns in eurer Nähe einfach zu heiß!
Eine kleine Traube bildet sich dann doch noch, als Downsidetrip die Bühne entern. Die diesjährigen Gewinner des Campusfest Contest dürfen heute Mutabor supporten. Die beiden Jungs lassen launige Sprüche vom Stapel und machen vor allem eines – grandiosen Rock, mit einem wundervollen Stonereinschlag. Während die beiden ihr Set spielen, kommen Mutabor an und bringen ihre Instrumente hinter die Bühne. Axl Makana setzt sich dann in einen Campingstuhl neben der Bühne und sieht den beiden zu – was er sieht und hört scheint ihm zu gefallen. Gibt es ein größeres Lob für eine junge Band, wenn sie am Ende dem Headliner, den sie supporten, gefällt? Ein kurzes Shake Hands. Dann beginnt der Soundcheck für die Berliner. Carl, seines Zeichens Moderator des Campusfestes, muss sich lautstarken Protest aus dem Publikum gefallen lassen, als er Downsidetrip verabschieden will – ein Song noch, komm! Nein, die Zeit ist um.
Während der Soundcheck läuft, sehe ich mich auf dem Gelände um. Der abgesperrte Bereich wird während der Fußball-WM vom Uni-k.u.m. für Liveübertragungen auf großer Leinwand – Public Viewings – genutzt. Die ganzen Getränkestände und Bierbänke haben verdeckt, wie voll es inzwischen ist. Als Axl Makana und seine Mutaboris die Bühne betreten, genügt eine kleine Geste seinerseits und der Platz davor ist voll. Als die ersten Takte erklingen, beginnt der Platz zu leben. Skatanzschritte allerorten. Lächelnde Gesichter. Die Songs von Mutabor sind nicht neu, sie präsentieren einen Querschnitt aus all ihren Alben: „Lisa“ – „Maria Huana“ – „Individuum“ – „Karneval“ – „Masturbation in der Sonne“ (bei dem auffällig viele Frauen tanzen) – „Revolutio“ – „Ego“ – „Ich will weg“ und viele mehr. Doch die Band präsentiert das alles mit so viel Lebensfreude und „Makana“, zwischendurch Konfetti- und Wasserpistolenattacken, da kann und will man nicht anders, als mitzugehen, wegzuschweben und sich in das Reich von Mutabor zu tanzen. In diesem Jahr sind sie live ohne Helen unterwegs, sie erwartet Nachwuchs. Vertreten wird sie in dieser Zeit von Uta Brandt, die mit Saxophon, Flöte und Gesang die Lücke zu schließen weiß. Im Herbst diesen Jahres kommt dann auch endlich das langersehnte neue Album von Mutabor raus. Ich bin gespannt, denn es soll das Beste sein. Aber was kann die letzten Alben eigentlich noch toppen?
Wer danach noch genug Kraft in den Beinen hatte, konnte zur After Show-Party ins Uni-k.u.m. und dort weitertanzen. Im nächsten Jahr wird es wieder ein Canpusfest geben, der Campusfest Contest im Vorfeld ist Pflicht. Mal schauen, wer dann den Hauptact supporten darf. Mal schauen, wer dann Hauptact sein wird. Mutabor jedenfalls waren grandios.