M’era Luna 2016
Von kühler Eleganz bis hin zu opulenter Extravaganz
14.08.2016 [sh] Wenn bereits Tage zuvor der Wetterbericht gecheckt wird, Überlegungen angestellt werden, welche Outfits den Weg in den (für zwei Festivaltage) überdimensionierten Koffer wandern sollen und der Inhalt des Schuhschrankes das Kofferraumvolumen ein klein wenig übersteigt. Wenn das WGT bereits Erinnerung ist, die Nachwirkungen des Amphi Festivals verklungen sind und man wieder sah, wie Wacken im Schlamm versank. Wenn der Mond zur vollen Größe heranreift und das Gelände des Drispenstedter Flugplatzes eine große konforme Masse aus Autos, Zelten und einer schwarzen Menge bildet. Wenn gutgelaunte Frühaufsteher und nimmermüde Nachtschwärmer sich guten Morgen sagen und man die Wahl zwischen Cat- und Zombiwalk hat, dann heißt es „Willkommen in Hildesheim, willkommen zum M´era Luna!“. – Willkommen Zuhause!
Bereits bei der Anfahrt machten sich die Geländeveränderungen rund um den Flugplatz bemerkbar. Parkplätze mussten verlegt werden und bescherten so manch Festivalbesucher einen weitreichenden Spaziergang zum Zeltplatz. Dieser war bereits kurz nach der Öffnung zu großen Teilen durch die bereits seit Stunden wartenden Besucher in Beschlag genommen worden und innerhalb kurzer Zeit bildeten sich wahre Zeltgemeinschaften. Gemeinsam packte man an, trotzte dem bis dato unbeständigen Wetter und begoss das kommende Wochenende.
Mittelalterliche Gesänge und eine breite Auswahl an Schmaus- und Saufständen luden auf dem Mittelaltermarkt zum Verweilen ein, auf der Händlermeile frönte man der hemmungslosen und kontenstrapazierenden Shoppinglust. Die Fashion Show zeigte extravagante Kreationen und Trends von heute und morgen, eindrucksvoll und sexy beworben. Im Hangar brillierten Marcus Heitz, die stimmgewaltige Luci van Org und last but not least der genial, wortgewandte und schlagfertige Herr Christian von Aster mit Auszügen aus Ihren Werken. Eindeutige Anfragen und Avancen einzelner Besucher werden da schon einmal an das Publikum weitergereicht oder später in dunklen Hotelzimmern ausdiskutiert.
Neben einem umfangreichen und unterhaltsamen Rahmenprogramm, schnürten die Veranstalter von FKP Scorpio auch ein abwechslungsreiches, wie hochwertiges musikalisches LineUp. So brachten nicht nur bekannte Szenegrößen und –urgesteine die Massen zum Feiern, auch so manch Newcomer wusste zu überraschen. Die Bandcontestgewinner Shaârghot waren nicht nur optisch ein Hingucker, sie überzeugten zu früher Mittagsstunde mit einer energiegeladen Bühnenperformance. Agent Side Grinder sind hierzulande bisher kaum bekannt, jedoch sind die Schweden um Frontmann Kristoffer Grip bei weitem keine Newcomer mehr. Ihr viertes Album ist auf dem Markt und mit einer Mischung aus Industrial, analogen Synthies, handgemachten Elektro und ihrer kühlen nordischen Eleganz spielten sie sich an diesem Wochenende in die Kennerherzen. Ihre musikalische Hommage an Joy Division, Kraftwerk oder New Order hat definitiv Zukunftspotential.
Während Stahlmann, Oomph! und auch Eisbrecher die Massen vor der Mainstage mit ihrem Neue Deutsche Härte Sound so richtig aufmischten und die letzten Langschläfer aus den Zelten lockten, bebten im Hangar die Boxen und pulsierte das elektroverliebte Fanherz mit Bands wie Chrom, Hocico oder Centhron. Nicht nur musikalisch ein Highlight, auch optisch zogen Zeromancer und Apocalyptica vermehrt die weiblichen Fans in die ersten Reihen. Letztere streichelten und zupften ihre Cellos mit so viel Hingabe, dass so manch vermitztes Lächeln der Phantasie freien Lauf ließ. Die Letzte Instanz präsentierten nicht nur alte Klassiker und luden zum tanzen ein, sie hatten auch ihr gerade erschienenes Album „Liebe im Krieg“ im Gepäck und gaben einige Kostproben. Auch die Mittelalter-Rocker In Extremo warteten mit neuem Werk „Quid Pro Quo“ auf. Ihre Show, Spielfreude Pur. Immer auf hohem Niveau, ansteckend, energiereich und mit vollem Einsatz. Vollen Einsatz brachten auch Combichrist auf die Bühnenbretter. Mit wuchtigen Double-Drums und einem immensem Bewegungsdrang wußten sie das Publikum mitzureißen. Einmal gepflegt ausrasten bitte. Auch für Suicide Commando Frontmann Johan van Roy und VNV Nation Fronter Ronan Harris schienen die Bühnen zu klein, hinzu kamen Setlists gespickt mit Klassikern und Hits, welche die Stimmungsspirale höher und höher trieben, anheizten, aufheizten und ein Durchatmen kaum zuließen. Die Headliner und Urgesteine The Sisters of Mercy legten nicht nur viel Power in ihren Sound, sondern vor allem in ihre gewohnt intensive Bühnenvernebelung. Auf dem Weg zum „Temple of Love“ verirrte sich so manch Fan dann wohl doch in den dichten Nebelschwaden. Within Temptation hingegen verzauberten mit ihrem opulenten Bühnenaufbau und einer fulminanten Show. Gekrönt wurde der Abend als sich Frontfrau Sharon den Adel kurzerhand stimmgewaltige Duettunterstützung von Tarja Turunen holte. Welch epischer Abschluss, welch großartiges Wochenende, welch erinnerungswürdiges M’era Luna.
Viel zu schnell verging die Zeit. Sie war geprägt von einem hochkarätigen Musik-, einem breiten Verkaufs-, wie abwechlungsreichem lukullischen Angebot. Man traf alte Freunde und neue Bekannte. Führte tiefsinnige Gespräche und leichte Konversationen. Konzentrierte sich auf die „Arbeit“, ließ aber den Spaß nicht außen vor. Ein herzlicher Dank geht an die Veranstalter, die organisatorisch Meisterleistungen vollbringen. Die Security die Sicherheit vermittelt und doch auch immer ein Lächeln auf den Lippen hat. Natürlich auch der gesamten Crew, die das M’era Luna zu einem kleinen Familienfest werden lassen und last but not least an das Fotografenteam, dass mehr und mehr gemeinsam agiert. Ihr seid ‘ne Wucht! Mit Euch immer jederzeit und immer wieder gern, spätestens in einem Jahr, wenn es wieder heißt: „Willkommen zum M’era Luna“. Die ersten Bands sind bereits bestätigt, also haltet Euch das Wochenende 12. – 13.08.2017 frei.