M’era Luna 2012
Sonne, Staub und Sonnenbrand
12.08.2012 [sh] Phantasievoll ist nicht nur der Name M´era Luna, sondern auch die Darsteller und Besucher des Festivals. Aufwändige Outfits, perfekt sitzende Accessoires, eng geschnürte Korsetts und kunstvolle Make Up-Kreationen werden hier zur Schau gestellt. Das triste Sekretärinnenkostüm wird gegen ein sexy Lolitaoutfit getauscht. Der Banker trägt statt Anzug und Krawatte eine ausgeklügelte Mittelalterkluft. Ob Lack. Leder, Latex oder ein Hauch von Netz – hier kann man den Alltagszwängen entfliehen und sich frei unter tausenden Gleichgesinnten bewegen. Traditionell am zweiten Wochenende im August werden die Flieger vom Flugplatz Hildesheim Drispenstedt verbannt und das Gelände verwandelt sich in eine große Bühne der Dark- und Gothicszene. Acts wie Within Tempation, The 69 Eyes, ASP oder Deine Lakaien ziehen Jahr für Jahr die Fans zu tausenden vor die Bühnen. Ein riesiges Händlerareal wirbt mit allem, was das dunkle Herz begehrt. Der Mittelaltermarkt ist mittlerweile eine feste Größe geworden und auch die Modenschau sowie die veranstalteten Lesungen finden eine große Anhängerschaft. Der Konzert- und Festivalveranstalter FKP Scorpio hat auch in diesem Jahr ein beachtliches Line Up zusammengestellt. So werden an zwei Festivaltagen unter anderem In Extremo, Letzte Instanz, Placebo, Hocico, Welle:Erdball und Eisbrecher die Meute zum Kochen bringen. Aber auch der in der Szene benötigte Nachwuchs kommt nicht zu kurz. So haben 2012 Symbiotic Systems die Möglichkeit ihr Können vor gut 20.000 Festivalbesuchern zu präsentieren.
Freitag, 10.08.2012: Gemeinsam mit Freunden geht es gegen 14.00 Uhr nach Hildesheim. An der Abfahrt Hildesheim Drispenstedt reihen wir uns in den Autokorso in Richtung Festivalgelände ein. Ein Parkplatz ist schnell gefunden. Die Bändchenausgabe wurden in diesem Jahr verbessert, so dass man sehr schnell für den Eintritt aufs Gelände legitimiert wird. Der Zeltplatz ist bereits gut gefüllt und wir müssen flink sein, um noch ein geeignetes Plätzchen für unsere Gruppenunterkunft zu finden. Dank routinierter Helfer geht der Aufbau relativ zügig von statten. Immer mehr Freunde aus den verschiedenen Ecken Deutschlands treffen ein und bei einem leckeren Glas Met stimmen wir uns auf das bevorstehende Wochenende ein. Bis in die frühen Morgenstunden kann man über dem Zeltplatz der Musik und den Gesprächen lauschen. Im Hangar hingegen tummelt man sich zu den Lesungen von Markus Heitz, Christian von Aster und Gesa Schwarz. Die Nachteulen unter uns können im Anschluss noch im Discohangar das Tanzbein schwingen.
Samstag, 11.08.2012: Die ersten Sonnenstrahlen erobern das Gelände und die Frühaufsteher oder auch die letzten Nachtschwärmer streifen über den Platz. Aus den Zelten kann man ein mehrstimmiges Schnarchkonzert vernehmen. Die sanitären Einrichtungen sind um diese Zeit nur sporadisch besucht und so nutze ich die Gelegenheit, mir den Schlaf aus dem Gesicht zu waschen. Die morgendliche Wärme verkündet einen heißen Tag. Frisch gekochter Kaffee lässt langsam auch den Rest unserer Bande aus den Zelten kriechen und gemeinsam genießen wir unser Frühstück. Gruppenneuzugänge werden schon einmal wegen ihrer gesunden Frühstücksauswahl gefoppt. Frisch gestärkt beginnen die Überlegungen, welches Outfit für den heutigen Tag das Richtige ist. Darauf abgestimmt natürlich das passende Make Up.
Gegen 14.00 Uhr führt uns unser Weg zum Einlass. Direkt hinter den Kontrollen stehen wir im Zentrum des Schaulaufens. Fotografen gehen hier auf „Jagd“ nach den Impressionen des Festivals. Stimmungen, interessante Gesichter, ausgefallene Outfits und das ganz normale Festivaltreiben werden eingefangen. Nach einer kurzen Stippvisite im Pressezelt, erkunden wir erst einmal das Festivalareal. In diesem Jahr hat sich die Lage des Marktplatzes ein wenig verändert. Dieser wurde aufgrund einer Baumaßnahme mehr in das Gelände hinein integriert. Mit der Hintergrundmusik von Heimatærde und Roterfeld reihen wir uns in die Fotografenschar ein und bedanken uns hiermit noch einmal für das bereitwillige Posen vor unseren Kameras.
Megaherz spielen auf und ich verschaffe mir einen guten Platz im Fotograben. Die ersten Töne des Openers „Jagdzeit“ gehen wegen eines defekten Mikros unter. Geschickt überbrückt Alex die Zwangspause mit Mimik und Gestik. Im Laufe der Show taut das Publikum so richtig auf und feiert ausgelassen. Bei Songs wie „Heuchler“ oder „Miststück“ beweisen die Fans ihre Textsicherheit. Rockig geht es weiter mit der Letzten Instanz. In den letzten Monaten arbeitete man im Studio am neuen Album, welches im Herbst in die Läden kommt und dem eine Tour folgen wird. Mit „Flucht ins Glück“, „Komm“ oder „Wir sind allein“ legen die Jungs ein souveränes und energiegeladenes Konzert vor, bei welchem die Fans nur eines können – mitfeiern.
Die Sonne brennt gnadenlos auf den Flugplatz. Die Outfits werden immer luftiger und auch ich bin gewillt, mein Latexkleidchen gegen etwas Hitzetauglicheres zu tauschen. Aber zuvor muss noch eine abkühlende Dusche her, was aber gerade am Nachmittag kein Problem darstellt, da die meisten Besucher sich vor den Bühnen tummeln. Mit den Altherren von Fields of the Nephilim geht es auf der Mainstage weiter. Da nun die Temperaturen etwas angenehmer werden, traue ich mich für eine Stippvisite in den Hangar zu De/Vision. Eine beeindruckende Diskografie im Rücken performen sie einige ihrer bekanntesten Stücke.
Subway to Sally bringen den Kessel zum kochen. Mit einer grandiosen Feuershow heizen die Potsdamer Jungs und Mädels so richtig ein. Mittlerweile scheinen sich sämtliche M´era Besucher vor der Bühne versammelt zu haben. Eric bedankt sich bei den Fans, welche für den Song „Schwarzes Meer“ die Basis bildeten. Mit den ersten Tönen lassen sich die ersten Crowdsurfer auf der Masse nach vorn tragen. Auch Eric Fish weiß dieses Gefühl zu schätzen und vertraut sich seinen Fans an. Sicher wieder auf dem Boden bzw. der Bühne gelandet, folgt ein Hit nach dem anderen und die schwarze Meute verlangt nach mehr. Songs wie „Sieben“ und „Wenn Engel hassen“ stoßen auf Begeisterung, da man diese auf Konzerten seltener vernehmen kann. Leider wurden in diesem Jahr die allbekannten „Blut, Blut, Räuber saufen Blut“ Rufe nicht erhört. Dafür lädt man zum Abschluss noch zum „Veitstanz“ ein. Mit dem Headliner des Abends, den Londoner Alternativ-Rockern Placebo findet der Samstag ein würdiges Ende. Sie geben einen repräsentativen Querschnitt durch ihre Bandgeschichte. Natürlich nicht fehlen darf der im Jahre 1998 erschienene Hit „Every You Every Me“, auch bekannt aus dem Soundtrack des Films „Eiskalte Engel“. Über den Abend ist es kühl geworden. Es folgt eine sternenklare Nacht. Vermehrt kann man Sternschnuppen am Nachthimmel beobachten. Magisch für diejenigen, die noch an Wunder glauben können. Die Temperaturen sinken rapide. Wen verwundert es da, dass eine junge Dame eine Kerze der Taschenlampe vorzieht, um den Weg zu erhellen und sich gleichzeitig die Hände zu wärmen. Dies führt immer wieder zu interessanten Gesprächen. So dauert der Weg zum Zelt um einiges länger als gedacht und der Morgen rückt schon in greifbare Nähe.
Sonntag, 12.08.2012: Nach einer kurzen Nacht ist es doch erstaunlich, wie fit man sich fühlen kann. Da bereits um 11.45 Uhr Eklipse im Hangar aufspielen, steht zuerst die Outfitauswahl an. Das Frühstück wird aufgrund von Zeitmangel verschoben. Die vier Musikerinnen von Eklipse präsentieren zeitgemäßen Pop-, Rock- und Gothicsound mit klassischen Instrumenten. Sie bringen es als Newcomer fertig, den Hangar schon zu so früher Stunde zu füllen. Durch eine Tour mit Nightwish und einer Titelstory im Szenemagazin Sonic Seducer ist die Band bereits bekannter, als viele Besucher erwartet hatten. Der geneigte Festivalbesucher bekommt weltbekannte Hits von Linkin Park, Lady Gaga oder Justin Timberlake auf die Ohren. Sehnsucht, Romantik und Begierde ausgedrückt durch Musik, die auch ohne Worte überzeugt.
Relativ übersichtlich besucht ist hingegen die Mainstage um diese Zeit. Die Lahannyafans haben wohl gestern etwas zu lang gefeiert. Ich muss sagen, wer nicht dagewesen ist, hat etwas verpasst. Im sexy Netz- und Latexoutfit ist sie optisch ein Hingucker. Aber auch musikalisch kann sie überzeugen und so füllt sich der Platz dann doch recht schnell. Während Lacrimas Profundere und Faun die Main beschallen, geselle ich mich wieder zu den Fotografen um noch ein paar Impressionen des Tages einzufangen.
Der Auftritt von Welle:Erdball am Nachmittag spricht für sich. In gewohnter Manier liefern sie eine gute Show, während die Menge vor der Bühne feiert. Der C 64 lebt wieder auf und ein glücklicher Konzertbesucher durfte sich sogar ein signiertes Exemplar nach der Show bei der Band abholen. Es folgen Schandmaul und für mich eine kurze Pause, welche ich zum umziehen nutze. Auch dem immer stärker werdenden Magenknurren sollte ich nachgeben. Der Wind trägt ein wenig von der Atmosphäre zum Zelt. Man hört die Band und unterstützend lautstark auch das Publikum. Pünktlich zu Eisbrecher stehe ich wieder im Graben. Mit „Exzess Express“ entern Alex und sein Crew kraftvoll und lautstark die Bühne. Energiegeladen geht es unter anderem mit „Verrückt“ weiter. Die Menge kocht und das nicht nur der Hitze wegen. Der Abend rückt unaufhaltsam näher. Der Hangar ist auch heute wieder Anlaufstelle der Fans der elektronischen Klänge. Während der Einlass durch das Tor gut geordnet von statten geht, ist man im Inneren auf der Suche nach einem luftigen Plätzchen. Mit Hocico gibt es tanzbaren Elektro der finsteren Sorte auf die Ohren, bei dem die Massen ausgelassen mitfeiern. Auf der Main laufen die Vorbereitungen für den Headliner In Extremo. Über dem Gelände kündigt sich der Sonnenuntergang an. Malerisch und idyllisch tauchen die letzten Sonnenstrahlen die Besucher in ein warmes Licht. Ein letzter Bummel über das Gelände muss noch einmal sein, bevor In Extremo mit einem Feuerwerk und dem Titelsong ihres letzten Albums das Finale des diesjährigen M‘era Luna einläuten. Im Laufe der Show werden vor allem die altbekannten Songs gespielt, welche von der Menge begeistert aufgenommen werden. Ob „Herr Mannelig“, „Küss mich“ oder „Erdbeermund“, den Jungs merkt man an, das ihnen ihr Geschäft immer noch Spaß macht, was natürlich auf die Fans übergeht. Es wird lautstark gefeiert und mitgeklatscht. Höhepunkt und zugleich auch das Finish, bilden die Songs „Spielmannsfluch“ und „Villeman Og Magnhild“ verbunden mit einer ausgeklügelten Pyrotechnik. Ein Wahnsinnskonzert und ein imposanter Abschluss für ein wundervolles Wochenende. Zufrieden, aber auch ein wenig wehmütig führt uns unser Weg zum Zelt. Noch ein letzter Abend mit alten Freunden und neuen Bekanntschaften, welche einem ans Herz gewachsen sind. Es fehlen leider diejenigen, die sich schon im Laufe des Tages verabschieden mussten. Melancholisch ist die Stimmung im Zelt. Aber auf der Landebahn wird es noch einmal laut, denn ohne das traditionelle Abschlusstrommeln kann man das M´era Luna nicht enden lassen.
Montag, 13.08.2012: Auch am Montag werden wir von Sonnenstrahlen geweckt. Der Zeltplatz hat sich über Nacht schon gelichtet. Uns steht der Abbau noch bevor. Aber auch das geht heute recht fix. Obligatorisch das Abschlussfoto als Erinnerung, genauso wie das Gruppenknuddeln, bevor es wieder in verschiedene Richtungen geht. Wir sehen uns wieder, spätestens zum nächsten Festival, aber ganz bestimmt zum M‘era Luna 2013. Die ersten Bandbestätigungen gibt es bereits. So werden unter anderem ASP, Front 242 und The Crüxshadows aufspielen.
Bilanz für das M’era Luna 2012: Mehr als 20.000 Besucher, bestes Wetter, nur wenige, meist sonnenstichbedingte Einsätze der Rettungskräfte. Und – wie jedes Jahr – wenig zu tun für die Einsatzkräfte der Polizei, die, laut lokalen Medien, durch verstärkte Präsenz auf den Zeltplätzen noch einen Rückgang der Diebstahlsdelikte erreichen konnten.