Frenetische Wiedersehensfreude statt norddeutsche Gelassenheit
Die Raben sind los und auch der Rest der Niedersachsen
10.06.2022 [mh/sh] Wer am Freitag seinen Weg in Richtung Hannover anstrebte, musste sich schon frühzeitig auf allen Zufahrtsmöglichkeiten mit chaotische Zustände auseinandersetzen. Denn neben neuen geballten Konzertterminierungen verschiedenster bereits mehrfach pandemiebedingter Eventverlegungen, lud Hannover überdies am vergangenen Wochenende zum geselligen Beisammensein rund um den Tag der Niedersachsen ein. Für uns stand der Tourstopp der Hamburger Mono Inc. auf dem Plan, welche nun endlich im Rahmen ihrer Book Of Fire Tour, dass bereits aus dem Jahre 2020 stammende gleichnamige Album live zu Gehör brachten. Die Schlange der einlassbegehrenden Rabenanhänger zog sich dann auch bis weit über die Ihmebrücke. Mit rund 1.600 Fans war das Capitol schlussendlich gut gefüllt und die Vorfreude überall deutlich spürbar.
Vorab lag es an Lacrimas Profundere die Besucher auf Betriebstemperatur zu bringen. In der Szene schon lange keine Unbekannten mehr, brachten sie die Anwesenden in kürzester Zeit dazu, sich vom Rhythmus tragen zu lassen und sich ausgelassen zu bewegen. Während die Instrumentalisten den hinteren Bühnenbereich füllten und rockten, präsentierte sich Frontman Julian Larre überaus bewegungsfreudig im vorderen Bereich, welcher mit einem Steg in den Zuschauerbereich versehen war. Die spärliche Bühnenbeleuchtung und auch der Sound sorgten insbesondere im ersten Drittel der Performance für Ernüchterung, die fallenden Hüllen des charismatischen Finnen hingegen lösten vor allem beim weiblichen Klientel sichtbare Entzückung aus. Julian fegte über die Bühne und sprang kurzerhand ins Publikum. Er sang, animierte zum Tanzen, schüttelte Hände und genoss es sichtlich von den überraschten Fans umringt zu werden. Die können sich übrigens freuen, so kommt doch Ende August nicht nur das neue Album „ How to shroud yourself with night“ auf den Markt, sondern führt auch die Band ab September auf Headlinertour in die Clubs.
Getreu dem Opener „Louder than Hell“ enterten anschließend Mono Inc. mit einem lauten Knall die Bühne und wurden sogleich von der euphorischen Atmosphäre, welche vom Publikum ausging, getragen. Allen Unkenrufen zum Trotz, die Norddeutschen wären stoisch, kühl und unnahbar, ward das Capitol an diesem Abend von einer frenetischen ansteckenden Begeisterungsfreude und ekstatischem Glücksgefühl erfüllt. Dies ist zum Einen der Fannahbarkeit der Band aber wohl auch der zweijährigen, zum großen Teil Social Distancing Zwangsphase geschuldet. Dieses Kribbeln im Bauch und das Vibrieren, wenn der Bass und griffige Riffs das Blut pulsieren lassen. Das Herzbeben, welchen der voluminösen Sound der Drums auslöst und die Gänsehaut und Emotionen, welche Texte hinterlassen, wie haben wir das vermisst.
Die Show der Hamburger ließ kaum Wünsche offen. Routiniert und spielfreudig agierten die Musiker als eine Einheit, als Rabenfamilie, sodass auch der Neuzugang und Bassist Val Perun keinerlei Scheu entwickelte und offen mit dem Publikum umging. Die Setlist bot mit ihrem Querschnitt aus neuen Songs und geliebten Klassikern nicht nur optimale Stimmungspusher, auch die Feuerelemente heizten die Raumtemperatur kräftig an. Neben treibenden Rocksongs, wie „Banks of Eden“, „Arabia“ und „Symphony of Pain“, die zum ausgelassenen Mitsingen, Tanzen und Klatschen einluden, fanden auch die leisen, melancholischen Töne ihren Platz. So ließ „An klaren Tagen“, neben dem Motiv der Band, auch Raum für eigene Interpretationen, Gedanken, Tränen und Gänsehaut.
„After the War“ beendete schlussendlich den offiziellen Konzertblock, aber nur um unter lautstarken Rufen und ausdauerndem Klatschen in die Verlängerung überzuleiten. Das Finale war geprägt von frenetischen raumfüllenden Gesängen, lautem Klatschen und begeisterten Jubelrufen. Auch mobilisierte man mit dem Meer an schwarzen riesigen Luftballons den Spieltrieb und das innere Kind jedes Einzelnen kam zum Vorschein, um voller Inbrunst klarzustellen, ja wir sind die „Children of the Dark“.