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Ich tanze mit dem Sturm einen schwarzen Reigen. Wer tanzt mit?

Oswald Henke DBOswald Henke liest: „Fallbeilautorität“

14.10.2010 [db] Jede Begegnung mit Henke hat Konsequenzen fürs Leben. Wenn man ihm denn erst einmal begegnet. Am Donnerstag ist der Wurm drin. Oswald Henke hat auf dem Weg nach Mühlhausen erst einen Stau und dann eine Autopanne zu bewältigen. Mit einem Ersatzwagen und reichlich Verspätung ist er noch unterwegs, als sich die KulturFabrik mit sattem Schwarz und Stimmengewirr füllt. Wenn der Meister in Verzug ist, dann wartet man geduldig. Keine Spur von Missmut. Im Hintergrund laufen gedämpft Stücke von Unheilig und Down Below und über allem liegt Stimmengewirr und Lachen. Damit ist es kurz nach 21 Uhr vorbei. Uhren essen die Zeit, wir fressen die Zeit. Autokannibalismus. Egoistisches schmarotzendes Fleisch. Seelenleer. Grenzgänger. Oswald Henke hat es geschafft, richtet sich kurz auf der kleinen Bühne ein und legt – eine wenig außer Atem, aber ohne große Umschweife, los. Ohne Fallbeil, aber mit viel Ironie, Sarkasmus, Wahrheit und Süßigkeiten.

“Auf der Reise hierher habe ich mir gedacht, ist das vielleicht der Zorn Gottes?” Mit einem leicht diabolischen Lächeln auf den Lippen heißt Oswald Henke herzlich willkommen zum dritten Hostien-Workshop. Wie bastele ich mir eine Hostie für den Hausgebrauch? Es ist im Grunde ganz einfach: man nehme essbares Papier und schneide es rund, dazu ein Spritzer Weihwasser – aus einer bayrischen Kirche entwendet – und fertig ist der Leib Christi. Nach einem Blick in die Runde meint Henke: “Ich glaube morgen explodiert mein Auto.” Es ist Nacht, drogenbeschleunigt. Das schwarz bleibt schwarz. Henke liest aus seinem bald erscheinenden Buch „Fallbeilautorität“ (VÖ: Frühjahr 2011). Aber auch alte Zeilen, weil es gewünscht wird. Wer nicht zuhört und unerhörter weise kopuliert oder ähnlich abwegiges veranstaltet, wird bestraft. Er musste bislang bei jeder seiner Lesungen Kreide ins Publikum werfen. Der Erste Hilfe-Koffer ist aber griffbereit. Wer nicht spurt wird bestraft. Einwegterroristen. Körperliche Grenzgänger. Nachtwandler. Henke führt literarisch über Grenzen – seine Lesungen sind nicht einfaches Ablesen, er zelebriert jedes Wort, atmet jeden Ton und verweilt in jeder Stimmung. Er flüstert, er hetzt, er hält inne, er schreit, lacht und ist still. Manchmal wagt man kaum zu klatschen, man will nicht „stören“. Da ist diese schwer greifbare Schwingung im Raum. Es ist diese ungeheuerliche Faszination, die dieser Mann ausstrahlt, mit einem Fuß die Tür zum Wahnsinn durchschreitend – weil er die Menschen durchschaut hat:

Ich bin wohl ein Fan des Menschen, doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass es immer weniger Exemplare ganzer Menschen gibt. Zu oft begegnet man Mündern die Lügen, Körpern, die versprechen und Gesichtern die nur lächeln, ohne wahrhaft zu sein. (Henke Digital 5.0 – “Ich-bin-Fan-Definition” oder wieso mag man etwas besonders gerne… 2009-10-12 02:03 von Oswald Henke)

Ich protestiere. Ich lebe unter Protest. Ich esse mich selbst auf. „Ist denn keinem von euch schlecht geworden?“, fragt Henke in die Runde. Kopfschütteln. „Nicht ein bisschen? Ich habe von der FSK mal das Prädikat “tendenziell menschenverachtend” bekommen, ich arbeite wirklich schwer daran, dass das “tendenziell” irgendwann einmal wegfällt.“ Es ist eine nackte Lesung, reduziert auf das Wesentliche: den Mann und sein Wort. Das verdanken wir an diesem Abend einem seltsamen Öldeckel, der nicht mehr da war, wo er sein sollte. Was zählt, ist nicht das Drumherum, sondern auf Stimmungen einlassen, auf Henke einlassen.

Jeden Tag stirbt man ein bisschen mehr. Jeden Tag nutzt man sich ab. Die Erkenntnis ist unbezahlbar. Nur eine von vielen an diesem Abend.

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fetisch:MENSCH Konzerte
20.11.2010 Berlin – K17
26.11.2010 Bochum – Zwischenfall t.b.c.

HENKE Tour 2011
15.04.2011 Bayreuth – Herzogkeller
16.04.2011 CH Zürich – Dynamo
18.04.2011 Rüsselsheim – Rind
19.04.2011 Berlin – K17
21.04.2011 Bochum – Zwischenfall
25.04.2011 Jena – F-Haus
(weitere Termine in Vorbereitung)


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