Sonata Arctica auf “The Days of Grays”-Tour
Back to Old School
05.03.2011 [db] Eines vorweg: als Redakteur weiß man nicht immer, was einen auf einem Konzert erwartet. Man weiß nie genau, wohin die Reise geht – selbst wenn man die Bands kennt und nicht zum ersten Mal über sie berichtet. Dann wiederrum gibt es sehr viele erste Begegnungen. Manchmal hat man auch eine ganz andere Vorstellung von einer Band, die mit der Realität auf erstaunliche Weise kollidiert. So an diesem Abend. Progressive Metal und Power Metal hatte ich im Kopf, laut Bandinfo, laut Pressetexten. Und dann sowas.
Nightwish-T-Shirts, In Extremo-Jacken, zerrissene Strumpfhosen, Strickblazer und Jeanswesten bepackt mit Aufnähern. Das HsD färbt sich Samstagabend schwarzbunt. Ein Heer Metalheads hat sich versammelt, um Sonata Arctica live zu erleben. Die finnischen Metaler mit Goldstatus sind gerade auf “The Days Of Grays” Tour. Kurz nach 20 Uhr geht die erste von zwei Supportbands auf die Bühne – 4th Dimension – und lässt nach einem angebrochenen Intro wegen Bassausfall erst noch einmal Ruhe durch den Saal hallen. Ich weiß nicht genau, was ich mir unter der vierten Metaldimension vorstellen kann oder soll – aber diese weichgespülte 1990er Jahre Reminiszenz ist es mit Sicherheit nicht. 4th Dimension klingen alt, nicht retro, einfach alt. Schon beim ersten Song hoffe ich, dass der Abend noch mehr zu bieten haben wird. Die ersten Reihen klatschen immerhin semibegeistert mit, während sich der Rest in Zurückhaltung übt. Vielleicht muss ich auch erst einmal warm werden mit dem Abend. Und der Spaß soll sich ja schließlich steigern. Aber von einem solchen Bandnamen erwartet man sich ja doch etwas mehr, mir eröffnet sich
keine neue Dimension. Das ist richtiger Old School Heavy Metal mit Schmalztendenzen. Der zweite Opener “Labyrinth” aus Italien startet da schon kräftiger und fordern erst mal “Hey Hey”-Chöre ein. Aber auch hier weht mir der Wind der Vergangenheit kräftig um die Ohren. Theatralische Gesangsparts und ausgedehnte Gitarrensoli – das Bild stimmt. Hier wird einer vergangenen Ära gedacht, als Heavy Metal noch mit Balladen aufwartete. Und Labyrinth schwanken von rockend zu balladesk. Immer mit der Stimme an der Sprenggrenze. Wenn man sich aber erst einmal darauf eingelassen hat, macht es Spaß. Diese hymnischen Refrains, die Chöre aus dem Publikum, das epische Soundgewitter, der Hauch von Haarspray und toupierter Matte. Radiotauglicher Metal, wie man ihn in den Clubs schon lange nicht mehr hört. Ein Blick ins Publikum verrät, dass nicht nur jungebliebene Metalheads diesem Sound nach wie vor huldigen. Auch nachgewachsene Headbanger sind eifrig dabei – ein kunterbunt gemischter Haufen. Der letzte Soundcheck des Abends an den Drums entwickelt sich dann zum Spiel zwischen Taktgeber und Publikumschor. Die Meute im Saal ist jetzt so richtig aufgewärmt und wartet auf ihren Headliner. Als das Intro erklingt, schwillt der Kreischpegel an und nacheinander entern die Bandmitglieder von Sonata Arctica die Bühne.
Ich bin versaut für solchen Metal auf ewig – Party.San und Chaos Empire zeigen mir seit Jahren erfolgreich, was Metal ist. Böser, tiefschwarzer und scheppernder Metal. Leder und Stiefel, lange wehende Haare und auch Warpaint. Aggressive Klangteppiche, tiefe Growls und Inszenierung. Das alles ist Sonata Artica nicht. Die Finnen schweben irgendwo zwischen Old School Heavy Metal und Symphonic Metal. Sie huldigen jener Zeit, deren Helden sich heute größtenteils zurückgezogen haben. Sie halten ein verstaubtes Genre am Leben. Jene Songs, die in Metalclubs leise im Hintergrund laufen, wenn die Party noch nicht gänzlich gestartet ist. Sie holen sie aus der Kiste, hauchen ihnen wieder Leben ein. Es ist nicht progressiv, was die Finnen da veranstalten. Eine Reminiszenz. Eine liebevolle. Mehr nicht. Und auch nicht weniger. Und dass dieses Genre noch immer lebt, hat es im sehr gut gefüllten HsD in Erfurt gezeigt. Klatschen ausdrücklich erlaubt. Und eine Freundin sagte mir am Ende des Abends: “80er Jahre Metal ist geil!”