Mein lieber Schwan!
Swan Lake – Acrobatic Ballet in der Messehalle, Erfurt
26.04.2010 [db] Die legendäre Primaballerina Galina Ulanowa bezeichnete Tschaikowskys Schwanensee einst als „das schönste Ballett, das man sich vorstellen kann“. Die unerschöpfliche Geschichte von der Macht der Liebe bot schon vielen Tänzern Raum zum Interpretieren und ihrem Publikum Raum zum Träumen. Aus dem Reich der Mitte kommt nun diese Fantasiewelt rund um die verwunschene Prinzessin in einem neuen Gewand – umgeben von einem Meer aus Farben und Formen. Durchdrungen von den Leistungen brillanter Tänzer und Akrobaten. Ein kleines Manko gleich vorweg – die Musik kommt vom Band. Doch ganz ehrlich – wo sollte man bei dieser Aufführung noch ein Orchester platzieren? Der Raum schien manchmal kaum für alle Tänzer zu reichen.
Am Montagabend fand die erste Aufführung dieser einmaligen Interpretation von Tschaikowskys Werk in Erfurt statt, eine weitere sollte am Tag danach folgen. Der Mix aus klassischem Ballett und Akrobatik ist beeindruckend. Seit der Weltpremiere 2005 in Shanghai ist das Ensemble weltweit unterwegs und sorgt für Begeisterungsstürme. Ich kann das verstehen, absolut. Ertappte ich mich doch dabei, wie ich minutenlang mit offenem Mund auf die Bühne starrte, weil ich so fasziniert war. Für diese Artisten scheint Schwerkraft ohne Bedeutung zu sein. 80 Mitwirkende verzaubern in über hundert traumhaften Kostümen, wechselnden Bühnenbildern und farbenprächtigen Requisiten. Einhundert Hüte wirbelten bisweilen durch die Luft und zehn Rhönräder tanzten zu Tschaikowskis Musik Walzer. Artisten in Froschkostümen tanzten minutenlang auf ihren Händen über die Bühne. Andere kletterten auf von Männern getragene Stangen und zeigten Hochakrobatik, die dem Publikum den Atem stocken ließ. Schwindelerregend. Faszinierend. Zwischen all der Kunstfertigkeit tanzt die Hauptdarstellerin federleicht umher, imitiert mit ihren Beinen den Flügelschlag eines Schwans und dreht minutenlang Pirouetten. Man merkt nicht, welche Anstrengung diese Leichtigkeit kostet. Man merkt nicht, welche Schmerzen die Künstler plagen, wie lange sie ihre Körper schon schinden, um grazile Bewegungen und fehlerfreie Sprünge zu beherrschen. Man merkt von alledem nichts. Man sieht „nur“ Schwäne, die über die Bühne zu schweben scheinen, ein Liebespaar, das nicht sein darf und doch will und schlussendlich kann. Man sieht Anmut, Eleganz, Kraft und Perfektion. Man ist gefangen von dem Moment an, wenn sich der Vorhang hebt und das Tiefblau des Waldes durch den Nebel scheint und eine kleine Ballerina hervor tanzt. Man ist gefangen.