megaROCK in die Ferien – Vol. XII
Sommerliche Temperaturen, fette Beats und tausende kreischende Teenies
23. 06.2010 [nm] Für Thüringens Schüler war dies der letzte Schultag vor den sechswöchigen Sommerferien. Das muss natürlich gebührend gefeiert werden. Egal ob eine 3 in Mathe, eine 1 in Deutsch oder 2 in Englisch. Heute pilgerten sie alle zum zwölften megaROCK in die Ferien in die Landeshauptstadt. Da ertönte auch schon der Sprechgesang „komm her, komm her –egal aus welcher Gegend du kommst“ des Rappers Doppel-U von der Bühne des Erfurter Messegeländes. Dieser Lockruf stieß auf offene Ohren. Die megaFANS strömten, mit dem druckfrischen Zeugnis gut im Rucksack verstaut, aus allen Himmelsrichtungen auf den Schulhof beziehungsweise das grüne Freigelände. Egal ob mit Freunden zusammen im Zug aus Nordhausen, mit Eltern und Geschwistern im Auto aus Ilmenau oder gemeinsam mit den Klassenkameraden in der Straßenbahn durch Erfurt – heute war den Kids und Teens kein Weg zu weit. Und wer was auf sich hielt, der streifte sich gleich am Eingang eines der weißen megaROCK-Shirts über und sicherte sich einen Platz in vorderster Reihe.
Schließlich handelte es sich heute um einen ganz besonderen letzten Schultag. Der Direktor (Zeitungsgruppe Thüringen) und die Pauker beziehungsweise Moderatoren Nina Moghaddam (DSDS-Magazin) und Stefan Ganß (Antenne Thüringen) hatten einen straffen und zugleich abwechslungsreichen Stundenplan im Gepäck. Aber was gibt es an speziellen Tagen in der Schule noch vor dem Unterricht? Genau eine Ansprache. Dazu hatten sich an diesem Tag gleich zwei bekannte Männer in die Aula, die heute Messe heißt, begeben. Der eine ist den meisten eigentlich nur im piekfeinen Anzug mit Krawatte bekannt. Heute tauchte der Kultusminister Thüringens, Christoph Matschie (SPD) aber passend zum Tagesmotto megaROCK in die Ferien in legerem Outfit auf und gab mit einem Schmunzeln im Gesicht zu: „Mein schlechtestes Fach war Chemie – das waren einfach zu viele Formeln.“ Der Zweite war der Geschäftsführer der Zeitungsgruppe Thüringen Klaus Schrotthofer, der appellierte: „Morgen macht ihr mal etwas ganz krasses – ihr schlagt die Zeitung auf und schaut euch die Berichte und Fotos von heute an oder surft im Netz.“ Als der offizielle Teil des Tages abgehakt war, stand zunächst eine Stunde Heimatkunde mit der Thüringer Band Revolving Door auf dem Stundenplan, die heute Neuhaus am Rennsteig verlassen hatte und sich auf die Bretter, die die Welt bedeuten, in die Landeshauptstadt getraut hatten. Hier testeten Liesa, Tina, Sabse, Rügi und Litz, die sich einst als Schülerband zusammengefunden hatten, Songs ihres bald erscheinenden Debütalbums „Break the Line“ erstmals vor großer Kulisse. Die drei Mädels und zwei Jungs gaben stimmlich Vollgas und ließen dazu fetten Gitarrensound unterm freien Himmel erklingen.
Dann brachten die Sieger des megaROCK Newcomer-Wettbewerbes Daniel Orange aus dem thüringischen Altenburg für 45 Minuten die Saiten zum vibrieren. Sie schickten „Ein fettes Danke“ ans Publikum. Denn eben jene Teenager hatten die Jungs, die nicht nur verdammt gut aussehen, sondern auch noch so klingen, 2010 per SMS-Voting zu Stars gemacht. Mit ihrem vollmundigen Vollröhren-Sound und ehrlichen Texten machten sie schnell klar, dass die Jugend hier für eine einzigartige Band die Handyrechnung in die Höhe geschossen hatte. In der dritten Schulstunde folgte dann Astronomie mit dem am deutschen Pop-Himmel neu funkelnden Stern Saphir. Die Mädels, von denen jede solo in den letzen Jahren als Beste Stimme des KI.KA-LIVE Nachwuchswettbewerbs hervorgegangen war, gaben mit ihren zarten Gitarrenklängen und glockenhellen Stimmen erstmals in dieser Formation ihre brandneue Single „Orchester in mir“ vor Live-Publikum zum Besten. Nach Lea, Jenny und Kathrin war Amely erst im April dieses Jahres zur Besten Stimme 2010 gekürt worden. Jedes der Mädels scheint verstanden zu haben, dass es trotz der eigenen Soloqualitäten zusammen mit anderen Stimmwundern einfach mehr Spaß und Erfolg haben kann. Die vier Energiebündel, brachten das Publikum in Erfurt auch mit ihren Songs „November“ und „Meine Stadt“ zum mitklatschen und verlauteten am Ende: „Es hat mega viel Spaß gemacht für euch zu spielen.“ Von diesen vier Newcomern werden die megaFANS sicher noch oft handgemachte Musik auf die Ohren bekommen. Spätestens, so lässt es sich schon heute vermuten, wenn der KI.KA im nächsten Jahr wieder auf Stimmenfang geht.
Als vierten Tagespunkt gab es dann eine Englischstunde mit den Jungs von Livingston aus London, die neben schnellen Nummern auch ruhigere – ja nahezu melancholische – Töne anschlugen. Der charismatische Frontsänger Beukes Willemse gab sich zunächst „worried about the rain today“. Aber bei blauem Himmel – durchzogen von ein paar Haufenwolken – und vor allem den strahlenden Gesichtern im Publikum, die sich minütlich vermehrten, bestand keine Gefahr. So sorgten die Britten mit Titeln wie „Broken“ und „Go“ trotz sommerlicher Temperaturen für Gänsehaut-Feeling. Die fünfte Stunde war die Herausforderung des Tages. Rapper Doppel-U aus Jena bat mit Schillers Gedicht „Ode an die Freude“ zum Deutschunterricht. Mit den angereisten Rapp-Neulingen wollte er den Eintrag ins Guinness Buch der Weltrekorde schaffen. Für alle, die sich hier auf absolutem Neuland bewegten gab es Flyer, auf denen Schillers Zeilen notiert waren und mit denen sie gleichzeitig der Notarin zeigen konnten „Ja – wir sind dabei.“ Nach dem Aufwärmen der Stimmen und ein, zwei Testläufen war es dann so weit. Aus tausenden Teenie-Kehlen, für die Schillers Meisterstück bis dahin vermutlich trocken und langweilig war, ertönte plötzlich ein cooler Rap untermalt mit krassem Beat. Mindestens 1.600 Mini-Rapper und eine Mindest-Durchlaufzeit von vier Minuten waren nötig, um den Weltrekord zu knacken. Auch wenn vielen zeitweise beinahe die Luft wegzubleiben schien, so wollte sich doch keiner lumpen lassen. Beim Refrain: „Seid umschlungen, Millionen, diesen Kuss der ganzen Welt! Brüder – überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen. Ihr stürzt nieder, Millionen? Ahndest du den Schöpfer, Welt? Such ihn überm Sternenzelt, über Sternen muss er wohnen.“ (Doppel-U Flyer) wurde die Meute dann so richtig laut. Mit dieser Aktion haben Doppel-U und die megaROCKer nicht nur bewiesen, dass eine Deutschstunde cool sein kann und junge Leute nicht dumm sein müssen. Zudem haben sie sich mit dem möglichen Eintrag ins Guinness Buch der Weltrekorde unsterblich gemacht und ein deutliches Zeichen gegen Rassismus gesetzt. Respekt!
Mit der sechsten Band stand dann Filmkunde auf dem Plan. Denn Rock It, die Band aus dem ersten deutschen Teen-Musical und gleichnamigen Film rockte mit Unplugged-Titeln wie „wir lieben die Musik“ und „rock it“ sowie ihrem neuen Lied „Die Welt“ die Bühne von Thüringens größtem Schülerfestival. Das teilweise sogar textsichere Publikum dankte es ihnen mit rhythmischen Händeklatschen und wildem Jubel. In der Siebten gab es dann kein Halten mehr. Alles drängte sich nach vorne. Zahlreiche Hände erhoben sich in die Luft. Digitalkameras wurden in Position gebracht. Lautstarke Jennifer Rostock – Rufe tönten sogar aus den hintersten Ecken des Messegeländes in Erfurt in Richtung Bühne. Dann war sie endlich da – die quirlige Rockröhre mit der braunen langen Mähne und den auffälligen bunten Tattoos, die in ihrem kurzen Jeans-Höschen und Streifenshirt über die Bühne wirbelte und bei jedem Gang aufs Podest in der Mitte kurze Kreischattacken auslöste. Jennifer antwortete prompt: „Meine Kinder ist das schön – das war aber mal geil wa“. Mit ihren Indie-Rock-Titeln „Es ist ein Leben auf Zeit.“ „Verliebt“ oder „Ich will hier raus.“ sang sie der Jugend aus der Seele. Und nicht nur deshalb hat die Band mit der hibbeligen Sängerin in Thüringen so viele junge Fans. Ein Grund mag auch sein, dass sie und ihre Band den Song „Es tut wieder weh“ für den Soundtrack des Kino-Hits „Twilight-New Moon“ beisteuerten.
Und da das Beste ja bekanntlich zum Schluss kommt, stand in der achten Stunde des letzten Schultages vor den großen Sommerferien Sport auf dem Programm. Der Top-Act des Tages waren Culcha Candela, die sich in ihren schwarzen Outfits, erst selbst „Hamma“ bewegten und schließlich die Massen in Bewegung brachten. Die tobende Teenie-Meute setze sich auf Zuruf der Mult-Kulti-Band erst nach rechts und dann nach links in Gang und ging schließlich sogar bis fast auf den letzten Zuhörer in die Hocke um dann mit voller Energie in die Luft zu springen. Zur Belohnung gab es nach der kurzen Zwischenfrage: „Wer von euch Partymonstern liebt den Sommer?“ die aktuelle Nummer „Somma im Kiez“ zu hören. Die bekannten Ohrwürmer „Monster“ oder „Schöne neue Welt“ der Reagge-/ Dancehall-/Hip-Hop-Musikgruppe durften bei dieser Sommerparty vor den Ferien natürlich auch nicht fehlen.
Mit den sieben Berliner Jungs ging dann ein siebenstündiger ungewöhnlicher letzter Schultag zu Ende. Statt stickigem Klassenzimmer und kargem Schulhof, fand er an der frischen Luft auf dem grünen Freigelände der Messe in Erfurt statt. Anstelle von wohltemperierten 21 Grad Raumtemperatur gab es blauen Himmel und sommerliche Temperaturen. Die Pauker waren schon im Feierabend – die Moderatoren hatten das Sagen. Die Langeweile wurde durch eine megaROCK-Party weggeblasen. Klassenkameraden wurden zu Freunden. Und das Beste? Acht angesagte Bands – egal ob Newcomer oder alte Hasen – sorgen für gute Laune und einen gelungenen Start in die sechswöchige Ferienzeit, in der sich alle Schüler neben dem lange ausschlafen, abhängen und chillen sicher auch das ein oder andere Mal an den Schiller-Rap mit Doppel-U erinnern werden und die aktuellen Songs von Revolving Door, Daniel Orange, Saphir, Livingston, Rock It, Jennifer Rostock oder Culcha Candela laut aufdrehen und mitsingen werden.
Die Straßenbahnen, Busse und Züge warteten bereits. Mutti und Vati schlürften ihre letzte Tasse Kaffee im Elterncafé. Der Bundeswehrhubschrauber, den es in den Pausen zu bestaunen gab, flog in luftiger Höhe davon. Auch die Visagisten von Clear Face, die in einem alten amerikanischen Schulbus den ganzen Tag trendiges Make Up und die angesagtesten Frisuren gezaubert hatten, packten ihre Lippenpinsel, Bürsten und Glätteisen ein. Der zwölfte megaROCK in die Ferien – Thüringens größtes Schülerfestival – war zu Ende. Aber es wird sicher nicht das Letzte gewesen sein.