Party.San Open Air 2010: In der Hölle ist es matschig
Mit Autopsy, Napalm Death und Cannibal Corpse durch ein wahrlich höllisches Metal-Wochenende
14.08.2010 [db] Die Geschichte des Party.San Open Air begann wie das der meisten Wald- und Wiesenfestivals aus einer Schnapslaune heraus. Keiner hatte wirklich Ahnung, aber alle machten mit.1996 wollten ein paar Freunde eigentlich nur eine Geburtstagsparty mit Band feiern. Am Ende waren es einige Bands mehr, die Party wurde größer und ein riesiger Strohanhänger diente als Bühne: eines der bekanntesten Metalfestivals war geboren. Damals hieß es noch „Endsommer-Festival“ und war von der Größe, die es heute hat, weit entfernt. 14 Jahre später steht dort, wo einst der Strohwagen stand, eine enorme Bühne auf einem sauber abgesteckten Areal. Und es regnet. Wie im ersten Jahr. Und in der Crew sind noch immer jene Leute zu finden, die gemeinsam alles aus der Taufe gehoben haben.
„Heavy ist ohne Schlamm kein Metal“ – so steht es geschrieben, auf einer Crewjacke. Und verdammt: dieses Jahr war es sehr heavy. Die Fahrt auf das Gelände gestaltete sich bereits am Eröffnungstag zu einer einzigen Rutschpartie. Doch die Besucher ließen sich den Spaß an ihrem Wochenende vom Regengott nicht nehmen. Während die Autokolonne Richtung Zeltplatz holperte, dudelten aus einem der Wagen David Hasselhoff-Songs raus. Genau so müsse man zu einem Open Air fahren, das mache die richtige Stimmung. Wir bekamen bei der Einfahrt von den Sicherheitsleuten den Tipp, in einem Rutsch durchzufahren – nur nicht Stehenbleiben. Dass das nicht allen fehlerfrei gelang, konnte man am umher spritzenden Schlamm sehen, wenn sich mal wieder einer festgefahren hatte. Auch wer am Donnerstagnachmittag sein Zelt auf dem Campingplatz aufschlagen wollte, hatte seine liebe Not, irgendwie irgendwo Halt zu finden. Doch Regen gehört dazu. Zur Grundausstattung eines festivalerprobten Besuchers gehörten in diesem Jahr ganz dringend Gummistiefel. Für die ganz Harten noch einen Regenschirm und der Black- und Death-Metal-Wahnsinn konnte beginnen. Als sich kurz nach 18 Uhr die Schleusen zum Gelände öffneten, strömten die bereits eingematschten Metalheads in Scharen auf den Platz. Wo eben noch ein Fitzelchen Gras war, watete man nach kurzer Zeit durch Schlammpfützen. So macht das erst richtig Spaß. Die ersten Anlaufpunkte sind – wie in jedem Jahr – der offizielle Merchandisestand des Party.San und der legendäre Stand von Brutz & Brakel. Dort ist zweieinhalb Tage lang kein Durchkommen. Auf meine Frage, warum eigentlich alle derart auf Brutz & Brakel abfahren, bekam ich die Antwort: „Das sind die einzigen, die mich verstehen. Und sie saufen mindestens genauso gut wie ihre Kundschaft.“ Die Crew von Brutz & Brakel befindet sich übrigens immer drei Tage im Jahr auf Betriebsurlaub – auf dem Party.San Open Air.
19 Uhr fiel der Startschuss für 30 Bands. Am Donnerstag warteten die Veranstalter mit Watain, The Devils Blood, Monstrosity, Devourment, Merrimack und Ketzer auf. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Eine satte Ladung rotziger, purer, nachtschwarzer und böser Metal. Dazwischen – ein wenig abseits des derben Geknüppels – hatten sich The Devils Blood eingefunden, mit nahezu symphonieähnlichen Stücken und weiblichem Drohgesang. Oder Acts wie Watain, die die großen Gesten perfektioniert haben und ihre Songs zelebrieren, als gäbe es kein Morgen. „Verschnaufpausen“ gehörten dazu, der Regen leider auch. In diesem Jahr konnte man sich nicht auf die Wiese legen und kurz die Augen schließen, wenn die Kräfte nachließen. Es sei denn, man legte sich unfreiwillig hin – und fiel in den Matsch. Der Rest fand, wenn sie denn schnell genug waren, einen Platz auf einer Bierbank vor einem der Stände. Dort blieben sie dann auch bei (andauerndem) Regen sitzen. Platz ist Platz. Überhaupt: Es machte auch in diesem Jahr wieder großen Spaß, das Treiben auf dem Platz zu beobachten. Hier geht es darum, eine höllisch gute Party zu feiern, Spaß zu haben und aufzufallen. Sei es durch detailreiche Kriegsbemalung, Halloweenkostüme, einen rosa Bademantel mit passend plüschigen Hasenohren dazu oder eben High Heels. Dabei schien es egal zu sein, dass die betreffende Schönheit mit jedem Schritt, den sie ging, tiefer im Schlamm stecken blieb und die Schuhe am Ende ein Fall für die Mülltonne waren. Sie ist aber auf jeden Fall ein Hingucker gewesen und nicht wenige haben leicht verwundert dem Schauspiel zugesehen. Beim Einfangen von Impressionen sprach mich ein Besucher an und zeigte auf einen Cowboy, der mit seinem Hut und seiner mit Aufnähern überzogenen Weste wahrscheinlich ein Nickerchen im Moshpit gemacht hatte: „Was meinst du? Der gehört doch auf alle Fälle in die Top 10 für dieses Jahr, oder?“ Sehen und gesehen werden.
Der Freitag und der Samstag verlangen viel von Publikum und Crew. Start des Konzertmarathons ist jeweils 13 Uhr und zwölf Bands bitten um Audienz – wie beispielsweise Ofermod, deren herrlich inszenierte schwarze Messe leider teilweise im Bühnennebel unterging. Da war ein Mönch? Ja, da war ein Mönch. Wer sich nicht vom Wetter abschrecken ließ bekam immer wieder eine Show geliefert. Bei Milking The Goatmachine beispielweise gab es vier durchgedrehte Ziegenmenschen zu sehen, die neben ihrem Mix aus Brutal Death und Grindcore auch einen Ritt auf einem Gummielefanten zum Besten gaben. Highlight des zweiten Tages waren die Schlächter der Frühzeit, Veteranen der Szene, die zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wieder ein Konzert auf europäischem Boden spielten – Autopsy. Wenn man eine so lange Zeit auf die Rückkehr der Amerikaner warten musste, sind Wunderkerzen im Publikum durchaus angemessen. Am Samstag hielt sich der Regen vornehmlich zurück, so dass man zumindest von oben nichts befürchten musste. Ein Besucher sagte im Vorbeigehen zu mir: „Na Mensch, da komm ich ja dieses Jahr doch noch zu meinem Urlaub am Meer.“ Eine Wattwanderung mitten in Thüringen? Kurz hinter Bad Berka war es möglich. Eine Schlammkur? Das kostenlose Angebot nutzen viele Besucher. Mosphits endeten regelmäßig mit vollkommen verdreckten, aber glücklichen Metalmaniacs. Während vor dem Bühnengraben gerutscht, gefallen und steckengeblieben wurde, lief auf der anderen Seite des Grabens eine düstere Show nach der anderen. Wem das nicht zusagte, der konnte am Autogrammstand glücklich werden. Am Samstagabend kam mir ein herrlich schlammverkrusteter Fan entgegen, hielt ein Foto mit Autogrammen hoch und schrie glücklich: „Napalm Death! Napalm Death! Napalm Death!“ Als die Briten dann schließlich die Bühne enterten gab es für große Teile des Publikums kein Halten mehr. Lange im Geschäft und doch kein altes Eisen – so wurden sie angekündigt und so schrammelten sie sich dann auch in bester brachialer Death-Grind-Manier durch ihre 45 Minuten. Nicht minder derb setzen die New Yorker Death Metal-Legenden von Suffocation nach. Derbe Riffs und ein Trommelfeuer regneten auf die Masse herab, die nach Zugabe schrie. Lock Up ließen es sich als vorletzte Band des Festivals nicht nehmen, davon zu schwärmen mit Bands wie Napalm Death, Suffocation oder Cannibal Corpse die Bühne teilen zu dürfen. „I’m one happy bastard“ – so Schreihals und Frontmann Tomas „Tompa“ Lindberg.
Möglich gemacht hat es eine wasserresistente Crew, die auch nach dem letzten Paukenschlag noch auf dem Platz sein wird. Einer Sache ist sich Veranstalter Mieze sicher: „Wenn ich höre, wie die Leute da draußen abgehen, dann möchte ich das für kein anderes als dieses Publikum machen. Dann weiß ich, wofür ich mir den Arsch aufgerissen habe.“ Besonders stolz ist er auf seine Crew: „Wir haben eine superanstrengende Woche hinter uns. Wir haben bei Regen aufgebaut, wir haben das Festival bei Regen durchgezogen und wir werden bei Regen abbauen. Die Crew hat zu 120 Prozent ihr Soll erfüllt. Das kannst du genauso schreiben. Auf diese Crew bin ich stolz.“ Der Regen, was denkt man sich als Veranstalter, wenn es gießt wie aus Kübeln? „Ein Mitveranstalter hat mal einen schlauen Spruch gesagt: Wetter scheiße, Festival scheiße. Wetter gut, Festival gut.“ Stimmt nicht immer, die Party war zwar matschig, aber ausgelassen. Im letzten Jahr sei es perfekt gewesen, Sonne und am Samstagabend ein leichter Nieselregen. Aber in diesem Jahr wollte der Wettergott wohl testen, was die Party.San-Crew aushält, so Mieze. Und er hat gesehen, sie können es auch bei Regen.
Der Verkaufsstand auf dem Gelände, der Flips Flops im Angebot hatte, wird in diesem Jahr wohl auf seiner Ware sitzengeblieben sein. Der Stand gegenüber hatte mit seinen Regenmänteln mehr Abnehmer.
– Party.San Line Up 2010 –
Donnerstag – 12.08.2010
** Watain ** The Devils Blood ** Monstrosity ** Devourment ** Merrimack ** Ketzer **
Freitag – 13.08.2010
** Autopsy ** Sarke ** Dying Fetus ** Asphyx ** The Crown ** Demonical ** Ofermod ** Origin ** Suicidal Angels ** Lividity ** Milking The Goatmachine ** Onheil **
Samstag – 14.08.2010
** Cannibal Corpse ** Lock Up ** Suffocation ** Napalm Death ** Aura Noir ** Necrophagist ** Manegarm ** Varg ** Desaster ** Ghost Brigade ** Tribulation ** Under That Spell **