Regen, Schlammschlacht und Sonnenbrand
Das M‘era Luna 2011
12.08.2011 [sh] Das Dutzend ist voll. Bereits zum zwölften Mal ist Hildesheim Austragungsort des in der Gothicszene bekannten M‘era Luna Festivals. Neben dem WGT in Leipzig ist das M‘era Luna eines der größten Festivals der Szene. Immer am zweiten Wochenende im August wird der Drispenstedter Flugplatz seiner Bestimmung enthoben und so manch kleines Sportflugzeug sucht schon einmal vergebens nach der Landebahn. Stattdessen haben tausende Autos, unzählige Zelte und in diesem Jahr wieder mehr als 20.000 Besucher das Areal erobert. Die Veranstalter konnten wieder ein hervorragendes Line Up zusammenstellen und so geben sich an diesem Wochenende wieder die Größen der Alternativen und Schwarzen Szene das Mikro in die Hand.
Freitag, 12.08.2011 – Bereits seit 10.00 Uhr ist das Gelände geöffnet und die Zeltstadt nimmt im Laufe der folgenden Stunden immer mehr Gestalt an. Gegen 14.30 Uhr nähern wir uns Hildesheim und folgen der langen Autoschlange in Richtung Flugplatz. Die Ordner weisen uns den Weg und mit professioneller Hilfe findet jeder einen Parkplatz. Kaum das Auto abgestellt, fängt es an Bindfäden zu regnen. Der Himmel hat ein bedrohliches Untergangsszenariograu angenommen, welches keine Hoffnung auf Wetterbesserung zulässt. Dennoch reihen wir uns in die lange Schlange vor der Bändchenausgabe ein und nach kurzer Zeit sind auch wir für den Einlass auf das Gelände legitimiert. Mit Müllbeutel, Gepäck und Zelt geht es auf die Suche nach einem geeigneten Platz. Zwei Stunden später und vollkommen durchnässt haben wir es geschafft, unsere kleine „Villa“ fürs Wochenende steht und bietet uns für den Rest des Nachmittags Schutz vor dem Regen. Wen die Müdigkeit oder auch Faulheit bisher nicht überkommen hat, kann am Abend das Tanzbein in der Disco schwingen oder lauscht den in diesem Jahr erstmals veranstalteten Lesungen von Christian von Aster, Markus Heitz und Christoph Hardebusch. Auch der Mittelaltermarkt hat seine Pforten bereits geöffnet und lädt bei einem wundervollen Sonnenuntergang zum Bummeln und Verweilen ein.
Samstag, 13.08.2011 – Frühaufsteher beschallen den Zeltplatz und geleiten so mehr oder weniger sanft die noch schlafende Bevölkerung in den neuen Tag. Nach einem ausgiebigen Frühstück, den Überlegungen zu den heutigen Outfits und der anschließenden Fertigstellung der Gesamtkunstwerke finden wir unseren Weg zur Einlasskontrolle aufs Festivalgelände. Kaum haben wir das Gelände betreten, sind wir im Zentrum des Schaulaufens angekommen. Hier warten bereits die Fotografen um die Impressionen und Eindrücke des Festivals aufs Bild zu bannen. Auch wir sind auf der Suche nach ausgefallenen Outfits, beeindruckenden Kostümen oder auch einfach nur den interessanten Gesichtern, welche ein solches Festival vielseitig, sehenswert und reizvoll machen. Die Shoppingmeile ist unser erster Anlaufpunkt. Während von der Hauptbühne Qntal zu hören sind, nehmen wir uns Zeit zum stöbern, bummeln, und anprobieren. Ob nun Korsetts, Strapshalter, Shirts oder Musik, für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Die Norweger Leaves Eyes um Frontfrau Liv Kristine stürmen die Bühne. Mit ihrem Symphonic Metal bringen sie die anwesenden Zuschauer ins Schwitzen und Headbangen. Wir ziehen weiter, die Duschen sind unser erklärtes Ziel. Während die Massen vor der Bühne toben, genießen wir ein leeres Duschzelt und angenehm warmes Wasser. Frisch geduscht, gesättigt und mit neuem Outfit, zieht es uns wieder aufs Gelände. Apocalyptica präsentieren eine mitreißende Show und beweisen, dass Metal und Celli durchaus eine Symbiose bilden können. Aber heiß wird es nicht nur aufgrund der Musik und der aus den Wolken auftauchenden Sonne. Beim Anblick der zunehmend leichter bekleideten Bandmitglieder bekommt so manch weiblicher Fan Atemnot und Hitzewallungen.
Die Abkühlung erfolgt in Form des Eisverkäufers der sich nun durch die sich vor der Hauptbühne versammelnden ASP-Anhänger kämpft. Mit neuem Gitaristen, alter Haarpracht und seinem Charisma hat er das Publikum von Beginn an im Griff. Untermalt wird sein Auftritt von einer fulminanten Feuer- und Lichtshow und findet mit „Ich will brennen“ ein würdiges Finale. Die wahre Magie jedoch erkennt der Betrachter nur mit etwas Abstand. Denn ASPs sagenhafte Bühnenpräsenz in Verbindung mit Wunderkerzen und einem hinter der Bühne aufgehenden Vollmond – ein Blickfang, ein Gänsehautmoment. Headliner des Abends sind Within Temptation. Auf mehreren Bühnenebenen bieten sie eine kraftvolle Performance. Mit Hits wie „Stand my Ground“ und „Mother Earth“, begleitet von Lichteffekten und Feuerelementen, findet dieser Tag einen wundervollen Abschluss.
Sonntag, 14.08.2011 – 6.00 Uhr morgens. Vor dem Zelt gibt es tatsächlich Verrückte, die um diese Uhrzeit zum Frühsport animieren wollen. Ein kurzer Blick nach draußen kündigt einen wundervollen Tag an. Die Sonne geht auf und vertreibt die Nässe der vergangenen Nacht. Jedoch viel zu früh und so gebe ich dem Rufen meines Schlafsackes nach. Zwei Stunden später, die übrigen Zeltbewohner kommen verschlafen aus allen Ecken gekrochen, ist von Sonnenschein nichts mehr zu sehen. Tief hängende Wolken und Regen en masse. Die Flächen abseits der Landebahn verwandeln sich schnell in überdimensionale Pfützen und Schlammbäder, sozusagen Festivalfeeling inklusive Fangopackung – Wellness pur, was will man mehr.
Ein kurzer Blick auf die heutige Running Order und wir wissen, Coppelius ist unser erstes Ziel. Noch ist es vor der der Mainstage recht übersichtlich, aber im Laufe der Show zieht es immer mehr Interessierte zur Bühne. Den Herren und dem Butler von Coppelius zu lauschen ist ein wahrer Hochgenuss, die Bühnenshow sowie die Kooperation mit dem Publikum eine Augenweide. Die Verbindung zum Wettergott jedoch funktionierte nicht, denn das Versprechen der Band, der Regen würde bald enden, konnte nicht eingehalten werden. Beim Finale angekommen, begibt sich Bastille zum Bühnenrand, in den Regen und stimmt sein Solo an. Dankbar nimmt er den ihm dargereichten Schirm eines Fans an und versetzt nun vor allem die Frauen mit dem deutschen Liedgut „Ade, mein Lieb!“ in Verzückung. Die Umbaupause nutzen wir, um mit unseren Fotoapparaten noch ein paar Impressionen einzufangen. Die Händler haben ihre Auslagen mittlerweile aktualisiert und preisen nun verstärkt Regencapes und Gummistiefel an. Wie schon beim Zita Rock in Berlin schafft es die Band Mono Inc., auch in Hildesheim den Regen in seine Schranken zu verweisen und die Massen vor der Bühne zum ausgelassenen Feiern und Mitmachen zu bewegen. Statt der Regenschirme kann man nun ein Meer an klatschenden Händen sehen. Der Wind frischt auf und kündigt den nächsten großen Regen und ein Sturmtief an. Tanzwut bekommen wir nur als Hintergrundmusik mit, denn die Sicherung des Zeltes steht erst einmal im Vordergrund. Wie man dann auch beobachten kann, fällt so manches Zelt und ungenügend gesicherter Pavillon den kräftigen Windböen zum Opfer.
Bereits jetzt sind große Lücken auf dem Zeltplatz zu verzeichnen. Für diejenigen die nicht das Privileg haben am Montag frei machen zu können, heißt es Zelt abbauen und antreten zur Heimfahrt nach dem letzten persönlichen Highlight. Dies scheint VNV Nation zu sein, denn das Festivalgelände hat nun noch einmal an Besucherfülle zugenommen. Ob tanzend und feiernd vor der Bühne oder verträumt auf der Wiese sitzend, die Meute geht mit. Der heutige Headliner – Hurts – mit seinem Synthie-Pop fällt nicht in unseren Interessenbereich, daher drehen wir noch eine Runde auf dem Gelände. Vorbei an der immer noch langen Schlange zur aktuellen Autogrammstunde, vom Hangar – dessen Fülle uns an diesem Wochenende abgehalten hat uns dort hinein zu wagen – bis hin zum Ausgang. Den Abend lassen wir mit Freunden bei einem Glas Met ausklingen. Nachdem die letzten Töne verklungen sind, lässt ein weiteres Spektakel nicht lange auf sich warten. Lauter Gesang und rhythmisches Trommeln auf allem was man so bei sich führt oder findet, bilden den traditionellen Abschluss des diesjährigen M‘era Luna Festivals.
Montagmorgen bauen auch wir ab. Das was am Freitag mühsam aufgebaut wurde, muss nun wieder zusammengepackt und sorgfältig verstaut werden. Aber mittlerweile kennen die fleißigen Helfer das Ritual, fast jeder Handgriff sitzt perfekt. Gegen 11.00 Uhr sind Zelt und Klamotten im Transporter verladen. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto und der schmerzlichen Verabschiedungszeremonie, reihen wir uns in die Abreiseschlange ein. Aber wir wissen, nächstes Jahr sehen wir uns wieder. Hier auf dem M‘era Luna 2012.