Willkommen auf dem 26. Rockharz Open Air Festival
Von sonnenhungrigen Staubduschern, Teufelsmauerbezwingern und Grabenschlampen deluxe
06.07.2019 [sh] Ein Ausverkauf der Tickets war bereits vorzeitig abzusehen, entwickelte sich doch das Rockharz Festival in den vergangen 25 Jahren seines Bestehens zu einem absoluten Highlight im jährlichen Open Air Kalender, welches nicht nur mit einem immer ansprechenden Line Up der härteren und dunklen Klänge punktet, sondern auch mit seiner idyllischen Lage im Herzen des Harzes und direktem Blick zum Brocken überzeugt. Während die Teufelsmauer sagenumwogen und magisch über dem Gelände thront, genießen die Anwesenden das vielbeschriebene familiäre Ambiente des Festivals mit den zahlreichen liebgewonnenen Mitarbeitern. So feierten in diesem Jahr rund 20.000 Metalheads gemeinsam aber vor allem friedlich bei hämmernden Riffs und düsteren Growls ihre Szenelieblinge und entdeckten vielversprechende Newcomer.
Startete man vorab noch eine Anreiseabfrage zur besseren Abfertigung der zu erwartenden Festivalgäste, war diese bereits hinfällig als das Gros der willigen Campbesucher schon Stunden vor der offiziellen Öffnung am Dienstag um 14.00 Uhr das Gelände und somit auch jegliche Zufahrtsstraßen belagerten. Selbst die vorzeitige Freigabe des Campgrounds sorgte nur langsam für Entspannung bei der Anreise.
Mittwoch. Gemäß unserem Motto „Rockharz ist Balsam für die Seele“ nahm ich mir allerdings die Zeit, mich gedanklich auf das Festival einzustimmen. Koffer zu packen, Kamera in Einsatzbereitschaft zu versetzen, den Getränke- und Verpflegungsbedarf aufzufüllen, Auto checken. Erst Mittwochmittag ging es entspannt in Richtung Harz. Die ersten vorfreudigen emotionalen salzgetränkten Tropfen rannen, als der Brocken in Sichtweite kam. Bei Ankunft in der Unterkunft im nahen Bad Suderode folgte eine herzliche Umarmung inkl. einer gefühlsbetonten Wiedersehensfreude. Und spätestens mit den letzten Metern zum Festivalgelände wurden unendlich viele Schmetterlinge in der Magengegend agil und fluteten ein warmes Nach-Hause-kommen-und-willkommen-sein Gefühl in Geist und Körper. All die Alltagsgedanken die für schlaflose Nächte sorgten, die Ängste und Sorgen waren mit einem Mal wie weggewischt. Über die Jahre hat sich eine solch tiefe Verbundenheit mit dem Harz, dem Festival und seinen unermüdlichen Mitstreitern, den unzähligen helfenden Händen im Hinter- und Vordergrund, den nie müde werdenden Grabenschlampen und der herzlich „chaotischen“ Fotofamilie entwickelt, die man nicht mehr missen möchte.
Die Eröffnung durch From North bekomme ich nur am Rande, während der Suche nach einem Parkplatz, dem „Gang“ über den Campground und den ersten herzlichen Begrüßungen von Gleichgesinnten, mit. Viele hat man lang nicht gesehen, aber die Vertrautheit ist ungebrochen. Die innige Begrüßungsrunde geht auf dem Platz und im Foto-/Sicherheitsgraben weiter. Dort hatten mittlerweile Brothers of Metal das Zepter übernommen, um die bereits feierwütige Menge mit Auszügen aus dem Debütalbum „Prophecy Of Ragnarök“ anzustacheln. So flogen die Fäuste, das Haar wurde im Takt geschwungen und gemeinsam gesprungen. Bei Vader und ihrem dargebotenen Death-Metal wurde dies noch mit Crowdsurfern und einem staubigen Circle Pit intensiviert. Energiegeladen und mit stampfenden Beats enterten Combichrist die Bühne und machten den Anwesenden mal richtig Dampf unterm Hintern. Während Fronter Andy LaPlegua die Bühnegröße in seinem Bewegungsdrang voll ausmaß, die beiden Drummer mit einer Energie die Felle gerbten, wurde auch in der größer werdenden Masse vor der Bühne energetisch abgetanzt. Mag so manch Metalerherz die Nase kraus gezogen und mit den Electrobeats nicht warm geworden sein, das Gros der Masse allerdings konnte sich dem treibenden Rhythmus nicht entziehen und zelebrierte eine ausgelassene Party sowie einen ansehnlichen Circle Pit.
Im Anschluss wurde es rosa! Grell! Pink! Nicht nur in der Masse fielen die zahlreichen Fans der Band auf, auch die Grabenschlampen passten sich der Partyband J.B.O. an und nahmen die nun folgenden einfliegenden Crowdsurfer im zartrosa-pinken-glitzer deluxe Gewand an. Seit 30 Jahren schon schwingen J.B.O. die Partykeule und sorgen mit Mitsing- oder besser Mitgrölgaranten, wie „Bolle“, „Ällabätsch“ oder „Ein Guter Tag Zum Sterben“ und aufgepeppten Coverversionen, wie „Alles Nur Geklaut“ für Hexenkesselpartystimmung. Mit U.D.O. und ordentlich Druck neigte sich der der erste Tag dem Ende. Neben Songs des aktuellen Albums „Steelfactory“, fanden auch Accept Klassiker den Weg auf die Setlist und ließen die Augen eingefleischter Fans leuchten.
Donnerstag. Während die Nacht mit arg kühlen Temperaturen aufwartete, blinzelte am Morgen die Sonne über den Bergkamm und weckte mich sanft. Um die Nacht und das Müdigkeitsgefühl aus dem Körper zu vertreiben, nutzte ich die noch kühlen Morgenstunden für einen Lauf durch den angrenzenden Wald und sog die frische Waldluft in die noch vom Vortag verstaubten Lungen. Das anschließende ausgiebige Frühstück tat sein Übriges um gestärkt durch den Tag zu kommen.
Nach einem kurzen Sprint über den Campground, war ich noch pünktlich zum musikalischen Tagesauftakt der Finnen Bloodred Hourglass, welche mit kräftigen Melodic Death Metal Klängen auch die letzten Müdigkeitserscheinungen wegbliesen. Mit den brasilianischen Grazien von Nervosa gab es dann vollends einen in die „Fresse“. Aggressiv hämmernde Riffs und deftiges Screaming ließen bei so manch verkatertem Besucher die letzten verbliebenen Promille noch einmal in den Adern pulsieren. Etwas ruhiger und melancholischer wurde es mit Lacrimas Profundere. Nachdem sich im vergangenen Jahr das Besetzungskarussell noch einmal kräftig drehte, präsentierte man sich auf dem Rockharz als Bandeinheit. Den gemeinsamen Spaß an der Musik spürte man bis in die letzten Reihen. So ließ es sich auch Sänger Julian Larre nicht nehmen und erschien unvermittelt im Graben, um in direktem Kontakt mit den Fans zu sein und das Publikum auf Augenhöhe anzuheizen.
Mit lediglich nur einem Schlagzeug zur Unterstützung warteten die A-Cappella Musiker von Van Canto auf. Es ist wahrlich erstaunlich, welche Töne man allein nur mit dem Mund erzeugen kann. Sie brachten mit ihrer außergewöhnlichen energiegeladenen Darbietung und ihren Cover-Interpretationen von „Grave Diggers „Rebellion“, AC/ DCs „Hells Bells“ oder Metallicas „Master of Puppets“ die Anwesenden zum gemeinschaftlichen Mitsingen und das Infield zum Brodeln. Coppelius heizten anschließend den Massen weiter ein. Schmankerl aus den vergangenen 10 Jahren wurden intoniert und dabei die Bühne bewegungsfreudig ausgemessen. Butler Bastille war seinen coppelianischen Herren wie immer stets zu Diensten. Hier ein Erfrischungsgetränk, dort ein weiches Kissen und auch das Publikum kam nicht zu kurz. Diesem kredenzte er auf seine Weise den guten spritzigen Rotkäppchen. Die Fans trugen ihn dafür vorzugsweise auf Händen, damit er auch die hinteren Reihen erreichte. Mit Feuerschwanz stieg der Alkoholgehalt der besungenen Getränke. Huldigte man doch ausgiebig dem Met, der zwar im Märchenland Notstand verursacht, aber auf dem Rockharz reichlich die Kehlen befeuchtete. So folgte man auch nur zu bereitwillig der Aufforderung „Die Hörner hoch“, verfiel der Sünde infamer Weibsstücke und schrie lauthals „Ketzerei“, tanzte wie ein echter Krieger „Schubsetanz“ und begrub das Infield unter einer dicken Staubwolke. Die Feuerschwänzler hatten Bock, Euphorie erfasste das Publikum und zog mehr und mehr Leute aufs Infield und noch mehr Crowdsurfer Richtung Bühne. Das Inklusion nicht einfach nur ein leeres Wort ist, ließ sich hier hautnah spüren, als auch immer wieder Crowdsurfrollies den Weg unbeschadet über die Menge nahmen. In diesem Zuge auch ein dickes Danke den unermüdlichen Grabenschlampen, denen keine Herausforderung zu groß, nie die gute Laune verging und immer für Späßchen bereit waren. Chapeau!
Noch immer brannte die Sonne auf den Planeten und während die Masse sich eher die Klamotten vom Leib riss, warfen sich die nachfolgende Band in „Schale“ und luden zur Monsterparty ein. Lordi zogen mit ihrer visuellen Performance sowie musikalisch die Fans in ihren Bann. „Would You Love a Monsterman?“ Die Frage stellte sich wohl kaum bei den tausenden in die Höhe gereckten Armen und dem lautstarken Jubel der Anwesenden. Schlussendlich huldigte man noch gemeinsam dem „Hard Rock – Hallelujah!“ und brachte den heiligen Acker zum Beben. Hiernach enterten auf das Paradies pfeifend Hämatom die Bühne und priesen die „Zeit für neue Hymnen“ an. Mit Begeisterung wurde jeder einzelne Song lautstark und textsicher durch das Publikum begleitet, kraftvoll beklatscht und stampfenderweise das Infield unter Staub gelegt. Indem man Süd per Drumset crowdsurfenderweise über das Infield trug, stellten zudem die Fans unter Beweis, dass man die Band auf Händen trägt. So wird es die Massen erfreuen, dass am 30. August ein neues Album zum 15-jährigen Jubiläum erscheint. Während anschließend Wintersun eine Hommage an ihr vor 15 Jahren erschienenes Debütalbum „Wintersun“ zelebrierten, Begeisterungsstürme von den Fans ernteten und dem Tag das letzte Sonnenlicht nahmen, setzten Cradle of Filth auf eine düster-mystische Performance, versetzten die Fans mit Songs wie „Nymphetamine“ oder „Her Ghost In The Fog“ in Ekstase und bestach Frontman Dani Filth durch seinen prägnanten Keifgesang.
Heroisch wurde es zu später Stunde mit den Schweden Amon Amarth, welche die Anwesenden mit ihren Songs in die nordische Mythologie entführten. Mit kraftvollem Sound, beeindruckendem Bühnenbild, einer fulminanten Licht- und Pyroshow und einer abwechslungsreichen Setlist brachten die Nordmänner um Johan Hegg die Fans zum energetischen Abfeiern, ausgelassenen Headbangen und die Augen zum Leuchten. Die Vikinger legten eine Energie an den Tag, welche sich ungebremst auf das Publikum übertrug. Klassiker wie „Pursuit Of Vikings“, „Guardians of Asgaard“ oder „Raise Your Horns“ wurden ekstatisch bejubelt und lauthals mitgesungen. So kurzweilig das Show, desto überraschender kommt das Ende und dies immer zu früh. „Twilight Of The Thunder God“ leitete das epische wie grandiose Finale des Tages ein und hinterließ erhitzte aber beseelte Gemüter. Mit Witt und seinen Erzählungen um den Herrn der Berge sowie alten Klassikern wie „Die Flut“ und „Der Goldene Reiter“ ging auch für die letzten Nimmermüden der zweite Festivaltag zu Ende.
Freitag. Ein wolkenverhangener Himmel begrüßte den Tag und versprach ein wenig Linderung im Brennkessel vor der Teufelsmauer. Ein fataler Irrtum, wie sich später herausstellen sollte. Nach einer Prise exzellenter Waldluft, einer Portion Stille und einem ausgedehnten Frühstück ging es schnurstracks zum Festivalgelände. Hier eröffneten Elvellon mit feinstem Symphonic Metal stimmgewaltig den musikalischen Reigen und zogen eine beachtliche Besuchermenge vor die Bühne. Milking The Goatmaschine hingegen schlugen eine brachiale Kerbe, sodass auch der letzte Langschläfer aus dem Bett geprügelt wurde. Und vor der Bühne? Hier setzte man die vorhandene Energie gleich mal in Platzbewegung um und kam sich bei der Wall of Death nahe. In Kombination mit der nun vom Himmel brennenden Sonne und dem stetig wehenden Wind ergab dies eine gutdurchmischte staubgeschwängerte Infieldatmosphäre.
Mit der musikalischen Hintergrunduntermalung der deftig growlenden Ostfriesen Nailed To Obscurity, den heroischen Geschichten Warkings und der sengenden Sonne im Rücken gestatteten wir uns den Gang über den Campground zum Einfangen von Zeltplatzimpressionen. Neben den beliebten Trinkspielchen-Spielenden, kreuzten Teufelsmauerwanderer unseren Weg oder hob sich ein Drachen empor um mit dem Wind zu spielen. Zudem überraschte so manch Campgestaltung und lud zu kurzweiligen Gesprächen ein. Sei es aufgrund der Weihnachtsdekoration, des beachtlich gebunkerten Promillevorrates oder der liebevollen Zurschaustellung seltener Fahrzeuge.
Wieder auf dem Platz kämpften die Pagan Metaler Elvenking mit einigen Soundproblemen, was jedoch die Anwesenden nicht vom Abfeiern und kräftigen Headbangen abhalten konnte. Ein Whiskey hier, ein Tänzchen da! Mr. Irish Bastards entführten mit ihren Gassenhauern auf die immergrüne Insel. Der Rhythmus ging ins Blut und man kam gar nicht umhin, nicht in ekstatische Bewegung zu verfallen. Mit einer unbändigen Energie agierten die acht Musiker auf der Bühne und animierten die Fans zum Tanzen, zettelten den einen oder anderen Circle-/Staub Pit an und baten um eine Flut aus Crowdsurfern. Dieser Aufforderung wurde sogleich und überaus ausgiebig Folge geleistet und bescherte den Grabenschlampen ein ansehnlich-schweißtreibendes Workout. Statt der angekündigten Night Flight Orchestra, die mit Flugverspätung zu kämpfen hatten, übernahmen die Finnen von Omnium Gatherum vorzeitig den Staffelstab. Sie hielten das hohe Stimmungslevel aufrecht und präsentierten sich verdammt spielfreudig. Die Fans dankten es ihnen mit in die Höhe gereckten Pommesgabeln, knackenden Hälsen und fliegendem Haupthaar. Nach einem leicht verkürzten Slot des Night Flight Orchestras und einem Abstecher in die rockigen 70er Jahre, feuerten Kissin´ Dynamite neben ordentlich Pyro, den Fans mit „Sex Is War“, „You´re Not Alone“ oder „Love Me, Hate Me“ mitsingbaren bombastischen Glam Metal um die Ohren und zeigten auch während der Liveperformance unglaubliche Spielfreude und ansteckendes Energiepotential. Energisch, kraftvoll, aggressiv überrollten Caliban die feierwütige Masse, knüppelten deftigen Metalcore über das sowieso schon brodelnde Infield, forderten für sich die biggest Wall of Death ein, animierten zu staubigen Circle Pits und gingen gemeinsam Rudern. Abkühlung aber nicht in Sicht.
Nach einigen kurzfristigen Absagen der letzten Jahre, hatten es Soilwork dieses Jahr tatsächlich auf die Rockharz Bühne geschafft und überzeugen nicht nur mit Altmaterial wie „Stabbing the Drama“, sondern punkteten vor allem auch mit aktuellem wie „Arrival“. Dragonforce zündeten spielfreudig ihre Speedmetalrakete, Gitarrist Herman Li beeindruckte mit seiner ungeheuren Fingerfertigkeit und dass Bewegungslevel der Massen vor der Bühne wurde auf höchstem Niveau am Laufen gehalten. Dies toppten am Abend nur noch die Karlsruher Spielleute Saltatio Mortis. Feurig, heiß und ausgelassen ging es nicht nur auf der Bühne zu. Während Alea dynamisch über die Bühne sprang, Mitsing- und Tanzgaranten vorwiegend des aktuellen Albums intonierte, feierte die Menge kompromisslos euphorisch. Die Crowdsurfer flogen im Sekundentakt gen Bühne, die Hände Richtung Himmel gereckt und die Füße nicht stillstehend, da der Rhythmus das Blut in Wallung brachte. Die Spielfreude der Band war ansteckend und ihre Konzerte stets ein Gute-Laune-Garant. Aber auch für nachdenklich-ernste Töne blieb Raum und Gesellschaftskritik musikalisch verarbeitet. Sei es „Dorn Im Ohr“, „Wachstum Über Alles“ oder „Brot Und Spiele“. Die Stimmung allerdings blieb davon unbeeinträchtigt. Spätestens bei „Nie Wieder Alkohol“ galt es nochmal Reserven freizusetzen, den Brennkessel spektakulär überbrodeln zu lassen, es dem sich durch die Menge tragen lassenden Frontman gleichzutun und sich seines „letzten“ Hemdes zu entledigen und blankzuziehen. Heiß, heißer, Saltatio Mortis.
Weniger kommunikativ, dafür äußerst düster wälzten die Black Metaler Dimmu Borgir den Acker um und setzten als Tagesheadliner neue Akzente. Neben orchestralen Klangwelten sorgte ein treibendes Schlagzeugduett mit Fronter Shagrath für eine gebannte Zuhörerschaft und rotierende Köpfe. Eskalation wurde mit den anschließenden Russkaja groß geschrieben und im Infield noch einmal gehörig Staub aufgewirbelt. „Psycho Traktor“ entfesselte einen gewaltigen Moshpit, das Tanzbein wurde ekstatisch geschwungen und umarmend die „Love Revolution“ vorangetrieben, bevor „Energia“ die Infieldparty noch einmal anstachelte und an Heidefolk abgab. Auch hier von Müdigkeit keine Spur sondern der unermüdliche Drang das innere Biest zu entfesseln. Schlaf wird überbewertet und musste sich mit enthusiastischem Abfeiern, lautstarkem Mitsingen, Tanzen und Headbangen erarbeitet werden.
Samstag. Ups. Feuerrot ging nicht die Sonne auf, sondern präsentierte sich mein Rücken. Der Vortag hinterließ trotz oder wohl besser gerade wegen des Wolken-Sonne-Wind Mixes deutliche Spuren. Umso dicker fiel die Schicht Sonnencreme und die Stoffauswahl für den Tag aus. Die Erkenntnis dass wir bereits Samstag schrieben, führte zu der Frage, wo die Zeit nur geblieben war, aber selbst der Teufel hat hierauf keinen Einfluss. Also mit ordentlich Kohlenhydraten intus und einem beladenen Auto ging es in Erwartung eines abwechslungsreich musikalisch untermalten Tag wieder Richtung Teufelsmauer.
Noch leuchtender als mein Rücken, strahlte Follow The Cipher Frontfrau Linda. Sie verpasste dem Morgen nicht nur einen immensen Attraktivitätsbonus, sondern glänzte auch mit einer beeindruckenden Stimme und mischte das noch verschlafene Publikum kräftig auf. Zudem gewährten sie mit mit ihrer aktuellen Single „The Pioneer“ einen kurzen Ausblick auf das kommende Album und machten somit Lust auf mehr. Mehr Melodic Metal, mehr Follow The Cipher. Man nehme einen Hauch Melancholie, eine Prise Weltschmerz und würze dies mit ansteckender Freude und erhält Hell Boulevard, die mit ihrer Mischung aus Gothic Rock versetzt mit elektronischen Einflüssen die Fans zum Kreischen und Jubeln brachten. Auch Visions of Atlantis zauberten mit ihren musikalischen Geschichten ein Strahlen ins Gesicht der Fans. Offensiver hielten es die Fans der nachfolgenden Freedom Call. Diese verkündeten in großen Lettern, „Lars, wir wollen Kinder von Dir“. Ein breites Grinsen zierte darauf hin des Gitarristen Gesicht, wobei auch der Rest der Band stets ein ansteckendes Lachen aufgelegt hatte und pure Lebensfreude ausstrahlte. Die überaus positive Energie übertrug sich ausnahmslos auf die Fans, verwandelte das Infield in eine Partyarea und gemeinsam feierte man zu Songs wie „Tears On Babylon“, „Warriors Of Light“ oder natürlich das „Metal Is For Everyone“. Nicht nur auf der Bühne wurde der Spaß großgeschrieben, auch stachelte Frontman Chris Bay die Fans immer wieder zum Mitsingen an, galt es die Arme rhythmisch zu schwenken und flogen die Haare im Takt. Leider war viel zu schnell die Stagetime der Bayern beendet, jedoch erhielten sie für ihre Performance frenetisch und andauernden Applaus. Für diejenigen die mehr wollen, die Jungs kommen im Herbst auf Tour, also Termine vormerken!
Nein, der Teufel hatte hier nicht seine Finger im Spiel. Unversehrt enterten Burning Witches mit Heavy Metal im Stile der Achtziger Jahre die Bühne, konnten aber nur langsam die Festivalaner überzeugen. Anschließend ging es mit den alten Hasen von Grand Magus druckvoll und bewegungsfreudig weiter.
Apropos bewegungsfreudig. Asche über mein Haupt, hatte ich es doch über die ganzen Jahre nie geschafft die Teufelsmauer zu erklimmen. In diesem Jahr setzte ich den Vorsatz in die Tat um und in Begleitung weiterer Freiwilliger folgten wir der Schlange der Natur- und Weitsichtanhänger. Teile des Weges hatten es gut in sich, brachten den Puls ein wenig zum Arbeiten und den Kreislauf in Schwung. Oben angekommen, nahmen wir uns etwas Zeit und genossen im Kreise unzähliger Gleichgesinnter den herrlichen Ausblick über den Harz und waren beeindruckt von der Dimension des Festivalgeländes. Die Uhr im Blick und den nächsten Act im Visier traten wir nach einiger Zeit den Rückweg an, der allem voran durch Kies und Geröll etwas rutschig und mit Vorsicht zu genießen war. Manch Verrückte störte dies allerdings wenig und bretterten auf Schwimmreifen, Bobbycars oder anderem gen Tal.
Pünktlich zum schwedischen Quartett Grave standen wir wieder auf dem Platz und holten uns mit „Into The Grave“ oder „Winds of Chains“ die volle Dröhnung Todesmetal ab. Anschließend füllte sich das Gelände zusehends und die Massen kamen in Bewegung. Kärbholz gaben so richtig Vollgas und mit ihrem kernigen Deutschrock begeisterten sie Rock- wie auch Metalherzen. Die Songs wurden lautstark mitgesungen und der Staub des Geländes kam wie so oft in diesen Tagen in Bewegung. Legion Of The Damned hielten nicht nur das Tempo sondern traten das Gaspedal durchs Bodenblech. Dies zog nun auch wieder einige Crowdsurfer vor die Bühne. Damit der Staub nicht zum Erliegen kam, wurde zudem ein Moshpit befeuert, eine Wall Of Death zelebriert und zu Song wie „Legion Of The Damned“ oder „Palace Of Sin“ ordentlich gemoscht und die Pommesgabeln enthusiastisch in die Höhe gereckt. Ausgelassenes Feierpotential garantierte auch der Auftritt der Darkrocker Mono Inc. Bereits der Opener grüßte stilecht mit „Welcome To Hell“. Die Rhythmen der Hamburger sind äußerst eingängig, blieben im Ohr und wurden lauthals und textsicher durch die Fans über das Gelände geschmettert. Ob „Gothic Queen“, „Arabia“ oder auch die M´era Luna Hymne „Children Of The Dark“, die Stimmungsspirale stieg hoch und höher und wurde durch gut platzierte Pyroeinlagen zusätzlich angeheizt.
Über den Nachmittag hatte sich mehr und mehr die Sonne zurückgezogen und ein Untergangsszenariograu überzog den Himmel. In Verbindung mit einem kräftiger werdenden Wind, sanken die Temperaturen schlagartig. Schlussendlich öffneten sich kurz nach Beginn des Epica Sets die Himmelstore und spülte den in der Luft liegenden Staub in den trockenen Acker. Dies konnte jedoch das feierwütige Volk nicht abschrecken, welche die niederländischen Symphonic Metaler um Frontfrau Simone Simons frenetisch abfeierten. Krachern wie „Storm The Sorrow“, „Unchain Utopia“ oder auch „Kingdom Of Heaven“ wurde mit wehenden Haaren, rotierenden Hälsen und tausenden in gereckten Fäusten begegnet und die abgefeuerte Pyro sorgte zumindest in den ersten Reihen immer wieder für etwas angenehme Temperaturen. Welch ein Abriss, dem noch nicht einmal das Wetter die Kraft nahm. Korpiklaani hatten sich aufgemacht um das Festivalpublikum noch einmal so richtig aufzumischen und ins Schwitzen zu bringen. Gesagt, getan! Die temporeichen Folknummern und Alkoholeinflößanimationen wie „Vodka“, „Beer, Beer“ und „Happy Little Boozer“ brachten den Hexenkessel zum Brodeln, die Crowdsurfer bescherten den Grabenschlampen noch einmal ordentlich Muskeleinsatz und der niederprasselnde Regen wurde per Moshpit in den Boden eingestampft. Lediglich getragenere Stücke wie „Kallon Malja“ ließen einen Moment innehalten, bevor der Kessel wieder befeuert und zum gemeinschaftlichen Überkochen gebracht wurde.
Puh. Doch schon soooo spät? Die versammelte Rockharz Crew um Veranstalter Thorsten „Buddy“ Kohlrausch verhieß leider das baldige Ende der diesjährigen Rockharz Ausgabe. Seinerseits geht ein riesiger Dank an die Crews, Techniker und alle Helferlein vor, hinter und auf der Bühne und rund ums Festival, aber auch an das immer wieder geile Publikum, welches wie immer friedlich gemeinsam die Festivaltage zu etwas besonderem machten. Und da die Massen natürlich noch nicht des Feierns müde waren, wurde die Bühne für Children Of Bodom geräumt. Nebel wabberte über die atmosphärisch beleuchtete Bühne und mit „Are You Dead Yet“ ließen es die Finnen schon ordentlich krachen. Vor allem die älteren Stücke wurden stürmisch bejubelt, jedoch auch die Songs vom aktuellen Album wurden lautstark und sangessicher intoniert. „Under Grass And Clover“, „Hate Me“ oder „Everytime I Die“ energetisch wurden Mosh Pits inzeniert, Pommesgabeln und Fäuste in die Höhe gerissen und exzessiv headgebangt und natürlich unzählige Körper crowdsurfend an die unermüdlichen Grabenschlampen weitergegeben. Sänger und Gitarrist Alexi Laiho warf charmant und überaus zahlreich das f… Wort in die Runde, sodass so manch einer daraus schon ein Trinkspiel kreierte. Auf das der Alkohol in Strömen fließe, der Regen tat es ja eh schon. Nach einem 70-minütigen dynamischen Set hieß es leider Abschied nehmen, aber nicht ohne noch einmal mit „If You Want Peace“ gepflegt auszurasten. Welch grandios beeindruckender Abschluss.
Für viele war nun der Abschied gekommen. Melancholie und Wehmut machten sich breit und es wurde lang und herzlich zum Abschied geknuddelt. Während sich manche Besucher nun bereits auf den Heimweg machten, andere am Zelt die vergangenen Tage Revue passieren ließen, gab es mit The O´Reillys & The Paddyhats und ihrem beschwingtem Irish Folk Rock und Apocalypse Orchestra noch stimmungsvollen Aprés Rockharz.
An dieser Stelle möchten auch wir ein fettes Danke an die Organisatoren und das gesamte Rockharz-Team aussprechen. Ihr habt den Festivalteilnehmern nicht nur ein abwechslungsreiches Line-Up geboten, sondern auch eine immer lächelnde Security, spielfreudige Bands und feierwillige Fans und erprobte Grabenschlampen die nicht nur jede gewichtige Herausforderung annahmen, sondern auch modisch dem rosa-glitzer Trend folgten. Das Festival bietet Jahr für Jahr ein Stück Heimat, ein Ort des sich Wohlfühlens, eine große wachsende Metalfamilie und ist sogleich auch Herzenserwärmer, Alltagsbuntmaler und Sorgenvernichter. Ihr macht also verdammt noch mal was absolut richtig. Chapeau!
Die Tage vergingen im Flug und bargen Kurzweil pur. Hier auch noch einmal meinen Dank an Ullis Happy Hands, welche Verspannungen den Garaus machten und die liebenswerteste crazy Fototruppe ever. Wir sehen uns wieder, wenn der Ruf des Rockharzes über das Land fegt und die Jünger vom 01. – 04. Juli 2020 den Acker unter der Teufelsmauer zum Beben bringen. Dann wenn der Teufel aufsteigt um sein Höllenfeuer zu schüren und das Brockenhexchen statt des Besens, lieber die Crowdsurfwelle reitet.