Rockharz Open Air 2022
Welcome back und endlich wieder zu Hause
09.07.2022 [sh] Es ist kaum verwunderlich, dass den Tagen vor der Anreise bereits eine gewisse, kaum beschreibbare Ruhelosigkeit und Vorfreude einhergeht. Wie Schmetterlinge im Bauch, Kribbeln auf der Haut und Flausch im Kopf, nur alles geballt und alles auf einmal. Denn verdammt lange und oftmals viel zu leise 1.095 Tage liegen seit dem letzten gemeinsamen Headbangmarathon im Jahre 2019 hinter uns. Und während sich im Leben jedes Einzelnen doch so vieles verändert hat, scheint die Zeit am Fuße der Teufelsmauer stehen geblieben zu sein. Das emotionale und herzliche Wiedersehen fühlte sich eher an, als hätte man sich erst gestern nach Alexi´s, Children of Bodoms leider mittlerweile verstorbenen Fronter, erhöhter fucking fuck Konzentration melancholisch bis zum nächsten Jahr verabschiedet. Die Leichtigkeit des Seins, die Freiheit und Akzeptanz untereinander, das gemeinsame genießen, Musik zelebrieren und Spaß haben, einfach Seelenbalsam und Tage mit dem Urlaub-vom-Alltag-Gefühl, sind ungebrochen. Gerade deshalb ist „Endlich Zuhause!“ auch der wohl meistgehörte, gesagte und vor allem gefühlte Satz des Festivals.
Aufgrund des umfangreichen LineUp, wurde der bisherige Aufwärm-Mittwoch zum kompletten Festivaltag aufgestockt. So erfolgte das Gros der Anreise, nach vorheriger Umfrage, recht unkompliziert und wenig staubelastet bereits am Dienstag. Als ich am Abend eintraf, war das Areal des Verkehrsflugplatzes bereits, bis auf kleine freie Stellen, gut ausgefüllt. Die herzliche Wiedersehensfreude war an allen Ecken spürbar. Camps schossen in die Höhe, tatkräftige Hilfe wurde angeboten und auch so manch Willkommensgetränk befeuchtete die trockenen Kehlen. Der Merchstand, welcher in diesem Jahr vom Infield, wie auch vom Campingplatz ansteuerbar war, zog die Interessenten in Massen an und auch die Schlange der unermüdlichen Pilgerer hinauf zur Teufelsmauer war weithin sichtbar. Als wären das nicht schon der positiven Vibes genug, setzte ein toller Sonnenuntergang dem Tag einen krönenden Abschluss.
Der Mittwoch versprach sonnig, aber auch überaus windig zu werden. Nach einem kurzen Morgenlauf und einem ausgiebigen Frühstück, ging es am frühen Vormittag zum Festivalgelände. Die Zeit bis zur Öffnung des Infields nutzend, erklomm ich, wie hunderte Rockharzbesucher ebenfalls, den Anstieg und schlussendlich auch die Teufelsmauer. Der Weitblick über den Harz, den Brocken und das Festivalgelände ist immer wieder beeindruckend. Anerkennend hier auch die Leistung derer, die nicht nur sich selbst, sondern auch der jungen Rollstuhlfahrerin dieses Erlebnis ermöglichten.
Mit dem Einlass um 15:30 Uhr bahnte sich eine große Menschentraube den Weg über das Infield, hin zu Essens- und Getränkeständen, aber allem voran zur Bühne. Das Begrüßungs- und Wiedersehensritual ging natürlich im Fotograben weiter, herzliche Umarmungen mit Fotokollegen, den immer entspannten Grabenschlampen und auch unseren Mädels und anderen bekannten Gesichtern der ersten Reihe folgten. Es ist schön, dass sich manche Gegebenheiten nicht geändert haben.
Drone-Frontman und dem Rockharz-„Inventar“ zuhöriger Stage-Manager Mutz setzte mit seinen The Blackeyed Banditz den musikalischen Start in das Rockharz 2022 und zog immer mehr Besucher aufs Infield. Die Norweger Sibiir animierten zum ersten Circle Pit, mit den Trashern Evil Invaders und den Hardcore-Urgesteinen Agnostic Front wurden die Pit Bemühungen weiter perfektioniert. Die New Yorker wirbelten nicht nur gehörig Staub auf, sondern ließen mit der Initiation einer ausgewachsenen Wall of Death auch den ausgetrockneten Acker vibrieren. Twilight Force öffneten mit ihren Power-Metal Klängen das Tor in eine magische Welt aus Drachen, Feen und Einhörnern, während Grave Digger mit 2 Jahren Verspätung ihren 40. Geburtstag zelebrierten. Neben Hits wie „Excalibur“ und „The Dark Of The Sun“, zündeten sie in Begleitung der Baul Muluy Pipes & Drums Band mit „Highland Farewell“ und „The Clans Will Rise Again“ ein orchestrales Feuerwerk.
Treibender Powermetal hielt mit Beast in Black Einzug und die Crowd wandelte die sich freisetzende Energie mit ausgelassenem Surfen, Springen, Headbangen und Mitsingen um. Sänger Yannis Papodopoulos Bewegungsdrang maß die komplette Bühne aus und sein breiter Stimmenumfang sorgte für Begeisterung. Auch die restlichen Musiker wussten ihre Spielfreude deutlich zu visualisieren, so griffen Mate, Anton und Kasperi beherzt in die Saiten und Atte gerbte mit einer unbändigen Leidenschaft und Power die Felle. Ob ihre Klassiker „Beast In Black“, das donnernde „End Of The World“ und das märchenhafte „Blind And Frozen“, das aktuellere „Moonlight Rendezvous“ oder das altersbeschränkte videozensierte „Hardcore“, sie brachten nicht nur eingefleischte Fanherzen zum Jubeln und frenetischen Ausrasten.
Schließlich feuerten die Kanadier Kataklysm die volle Dröhnung Death Metal über das Areal, dass sich die Köpfe nur so im Kreise drehten und während die Halswirbelsäule knackt und ächzt, reibt sich der Chiropraktiker schon einmal die Hände. Tarja sorgte für einen atmosphärischen Stimmungswandel. Mit ihrer unverkennbaren stimmlichen Urgewalt schmetterte die Finnin Tracks wie „Goodbye Stranger“, „The Phantom Of The Opera“ oder das Gary Moore Cover „Over The Hills And Far Away“ den Anwesenden um die Ohren und wusste dies auch in eindrucksvollen Posen zu untermalen. Den Gänsehautmoment des Abends lieferten die brasilianischen Trash Metaller Sepultura. Aus traurigem Anlass widmeten sie ihren Opener „Means To An End“ der verstorbenen Frau von Gitarrist Andreas Kisser. Im Weiteren verwandelte der Fronthüne Derrick Greene mit druckvollem Sound das Infield in einen kochenden Hexenkessel. Die Massen ließen die Fäuste anerkennend in die Höhe fliegen, dynamisch das Haupthaar kreisen, brachten den Acker zum Beben und beantworteten schlussendlich unter rhythmischen Trommeln Greens Frage: „Do you want to Dance?“ mit frenetischem Jubel.
Den krönenden Abschluss lieferten In Extremo, die gewohnt routiniert und voller Spielfreude ihr überaus weitreichendes Hit-Hymnen-Potential über den Platz fegten. „Mein Rasend Herz“, „Spielmannsfluch“ oder „Liam“ die Fans intonierten textsicher, jubelten enthusiastisch und sprangen und tanzten ausgelassen mit. Auch der Gassenhauer „Sternhagelvoll“ sorgte auch für gemeinschaftliches Schunkeln und lautstarkes Mitsingen, welches man über das ganze Areal noch vernahm. Die imposante Pyroshow tat ihr Übriges, setzte sprichwörtlich das Infield in Brand und man entließ die noch immer euphorische Menge beseelt und aufgewärmt in die kühle Nacht.
Na klasse. Der Donnerstagmorgen begrüßte die Festivalaner so, wie sich die vergangene Nacht verabschiedete. Wolkenverhangen und Dauerregen. Auch die Vorhersage versprach nur unwesentliche Besserung, später, irgendwann, vielleicht. Also landete zwingend das Rundum-sorglos-Regen-Paket im Kofferraum. Gegen Mittag wurde es etwas trockener, aber die dicke schwarze Wolke, die bei meinem Eintreffen bedrohlich über dem Festivalgelände hing, war schon überaus furchteinflößend. Enemy Inside schafften es mit ihrer Mischung aus Dark Rock gepaart mit symphonischen Metaleinflüssen, die Himmelsschleusen noch im Zaum zu halten aber das sich auf dem Infield versammelte beachtliche Zuhörermeer zur Bewegung zu animieren.
Gernotshagen blieben vom Wolkenbruch des Todes nicht verschont, bescherte dem Auftritt der Pagan-Metaller jedoch eine episch, düstere Atmosphäre. Während nur wenige ein trockenes Plätzchen suchten, feierte die Crowd unaufhaltsam weiter. Denn entweder man hatte vorgesorgt und war in Regenponchos gehüllt oder man war eh schon mal nass. Was solls, Rockharz ist nur einmal im Jahr. Und wie sinniert Sänger Daniel so treffend: „Nur die Harten kommen in den Garten!“ Na dann.
Auch die Göttinger Asenblut erhielten die Dusche von oben frei Bühne. Der Motivation und dem stampfenden Melodic Death Metal tat das keinen Abbruch und so tobte das Infield und verlangte lautstark nach „Ausziehen“. Najaaa, wer steht denn auch schon in Vollbekleidung unter der Dusche. So folgte Fronter Tetzel den Bitten seiner Fans und entledigte sich kurzerhand seiner Oberbekleidung. Aber hollaaaaah, die beeindruckten Reaktionen aus der Menge folgten auf den Fuß. Eine weitere Überraschung erklomm mit Saltatio Mortis Fronter Alea die Bühne, der gemeinsam mit dem „Berserker“ performte.
Hammer King schwangen den Power Metal Hammer. Auch wenn sie damit nicht das aktuelle Wettergeschehen ändern konnten, die headbangende Meute auf dem Platz war durchaus beeindruckend ausdauernd. Anschließend rollten Scar Symmetrys deftige Growls und drückender Death Metal wie eine Walze über die feiernde und grölende Masse und so manch Crowdsurfer wagte den Ritt gen Bühne. Hingegen ging Dark Funerals okkulte Messe anfänglich in der fehlenden Akustik und den teils heftigen Windböen unter. Mit endtlich ordentlich Saft auf dem Mikro allerdings, gab es dann aber doch noch ein ordentlich Black-Metal Soundgewitter.
Thundermother fehlte nicht nur ihr Backdrop, ihr komplettes Equipment fiel dem derzeitig öfter auftretenden Gepäckchaos an den Flughäfen zum Opfer. Das Rockharz-Team wäre aber nicht das Rockharz-Team, wenn es nicht eine adäquate Lösung aus dem Ärmel ziehen würde. So gabs für die Schwedinnen Leihinstrumente und für das bis in die hintersten Reihen gefüllte Infield eine ordentliche Portion Rock´n´Roll. Euphorisch wurden Stücke wie „Driving In Style“ oder Beastie Boys „Fight For Your Right“ abgefeiert.
Was bei Thundermother „nur“ das Equipment, traf bei Dark Tranquillity Gitarrist Christopher Amott. Stirnrunzeln, Kopfkratzen, Déjà-vu! Hatten wir das nicht schon einmal? Nur konnte 2017 noch der Privatflieger aushelfen, blieb in diesem Jahr sein Platz auf der Bühne unbesetzt. Dies, wie auch der windflüchtige Sound taten dennoch der Spielfreude der Band und der Feierwütigkeit der Crowd keinerlei Abbruch. „The Dark Unbroken“, „Misery´s Crown“ oder „Monochromatic“ verfehlten ihre Wirkung nicht und endlich erfreuten sich auch die nimmermüden Grabenschlampen über ein erhöhtes Crowdsurferaufkommen. Verständlich das man so mach Surfer*in auch mal länger auf dem Arm behält.
Subway to Sally kredenzten mit der untergehenden Sonne ein Best-Of ihres Wirkens. Klar das „Kleid aus Rosen“, „Sieben“ oder „Eisblumen“ lautstark mitgesungen, frenetisch geklatscht und gesprungen wurde und während Feuersäulen sich gen Himmel reckten, sich der Infieldhexenkessel zum „Tanz auf dem Vulkan“ zusammenrottete.
Powerwolf übernahmen und erteilten den vom heißen Tanz noch ganz sündig aufgestachtelten Gemütern die heilige Metal Absolution. Die Wölfe um Sänger Atilla Dorn hatten ihre Fans im Griff, jeder Interaktion wurde ekstatisch Folge geleistet und mit energetischem Abfeiern, ausgelassenem Headbangen und leuchtenden Augen honoriert. Mit einer fulminanten Feuershow, die windbedingt teilweise schon arg abenteuerlich anmutete, untermalten sie Klassiker von „Fire & Forgive“ über „ Resurrection By Erection“ bis hin zum aktuellen „Beast Of Gévaudan“ und setzten dem zweiten Festivaltag einen würdigen Abschluss.
Freitag. Die Live-Event-Abstinenz der zurückliegenden Wochen, Monate, – oh Gott – Jahre hat ein kräftiges Defizit hinterlassen. Es fiel auf, dass über das ganze Festival verteilt, das Infield auch während der frühen Slots und weniger bekannten Bands sich beachtlich füllte und die dargebrachte Musik hungrig inhaliert wurde. Das pushte auch Burden of Griefs, die mit wehenden Haaren und Melodic-Death-Metal Geballer den heutigen musikalischen Reigen eröffneten. Kambrium stellten mit „The Cybernetic Age“ ihr neuestes Werk vor und vertrieben mit eindrucksvollen Growls auch letzte Promilleanzeichen im Blut. Paddy and the Rats baten mit irischen Klängen zum Tanze und im Metalstyle erhielt man eine Wall of Death.
Mit harten Riffs und tiefen Growls fegten das Thüringer Quartett Deserted Fear die volle Dröhnung Death Metal über den Platz. Die Mähnen standen im Wind, die Köpfte kreisten und eine Schar von Crowdsurfern ritt ein. Und wenn zu „Burial Depth“ der Metalnachwuchs die Bühne – ähm die Pose – rockt, dann lächelt das innere Auge.
Vor der Bühne erhöhte sich das Zuschauervolumen, denn aufgrund erteilter Ausnahmegenehmigung standen nun Jinjer auf der Stage. Alles überstrahlend prangte ein riesiges in blau/gelb gehaltenes Peace-Zeichen auf dem Backdrop. Das Publikum ungewöhnlich ruhig denn das Kriegsgeschehen in der Ukraine gerade unheimlich greifbar. Wo sonst Unbekümmertheit herrschte, fühlte man nun den Kloß im Hals. Neben dem Dank spielen zu dürfen, richtete Frontfrau Tatjana Shmayluk zudem ihre Dankbarkeit an jeden Einzelnen, der mit den Menschen in der Ukraine fühlt. Stille und Gänsehautmoment. Ihre Show überaus energiegeladen, die immer wieder mit tosendem Applaus honoriert wurde. Brachial schmetterte der Sound über die Menge, angeführt von Tatjanas Wechselspiel aus derben Growls und einem fantastischen Klargesang.
Finntroll brachten dann wieder etwas Leichtigkeit zurück vor die Bühne und des Fronters Bitte „Feel free to go crazy or something“ beantwortete man mit einer ausgelassenen Pit-Party und es zogen auch wieder Crowdsurfer ihre Bahn. At the Gates spielten anschließend eine besondere Show. In Gedenken an Frontmann Tomas „Tompa“ Lindbergs kürzlich verstorbene Mutter, steht das Klassikeralbum „Slaughter Of The Soul“ im Fokus. Eine emotionsgeladene Darbietung mit erwartbaren Gänsehautmomenten.
Die kalifornischen Glam-Rocker Steelpanther trieben den Funfaktor in die Höhe. Neben einer bunten Show im 80er Jahre Style, gabs natürlich wieder voluminös gestylte Löwenmähnen und die immer gleichen witzigen Spitzen. Allerdings, nur weil man es ständig wiederholt, wird es auf Dauer auch nicht besser. Dem Unterhaltungswert tat das trotzdem keinen Abbruch, die Crowd feierte eine riesige schillernde Party, bei der so manch Dame erst mal blank zog und auch so manch männlicher Festivalbesucher überraschte nicht nur mit nackten Tatsachen, sondern surfte im Adamskostüm die Welle. Aber auch das meisterten die Grabenschlampen souverän.
Mit der untergehenden Sonne und ASP zog ein düsterer Hauch Gothicstimmung über den Platz. Die Lyrics, die treibenden Rhythmen und seine unter die Haut gehende Timbre faszinieren immer wieder auf neue, garantieren Gänsehautmomente und brachten das schwarze Blut in Wallung. Ob sich das Teufelchen oben auf seiner Mauer thronend auf den Vergleich einließe, wenn Mastermind ASP „Ich bin ein wahrer Satan“ voller Inbrunst über das Tal hallt? Die Fans zumindest folgten ihm überall hin, wenn er singt „Denn ich bin dein Meister“. Und klar. Die Magie ward ungebrochen und so wurde final natürlich erwartungsgemäß der Harz niedergebrannt.
Running Wild füllten ihren Headlinerslot vor allem mit Klassikern aus den 80er und 90er Jahren. So feierte das bis weit hinter dem FOH gefüllte Infield Songs wie „Bad To The Bone“, „Conquistadores“, „Riding The Storm“ und natürlich „Under Jolly Roger“. Die Heavy Metaller zogen alle Register, zündeten Kanonen und Feuerwerk und räumten Zeit für ein Drum-Solo ein, bevor sie sich mit „Raise Your Fist“ vom beseelten Publikum verabschiedeten.
Samstag. Nur ein morgendlicher Sprint über das Festivalgelände sicherte das Beiwohnen an der Storm Seeker Aktivitätschallenge. Die beachtliche Menge an Metalheads nahm die Herausforderung an und schipperten an der Seite der Folk Metaller durch wilde Piratengewässer.
Auch April Art schrieben es sich auf die Fahnen, das Metalpublikum aus der Reserve zu locken und luden zum Metal-Rock-Frühsport ein. Frontfrau und Energiebündel Lisa Marie Watz fegte über die Bühne und animierte die Bewegungswilligen vor der Bühne zum Springen, Circle Pit und schlussendlich einer Wall Of Death. Der Alternativ Rock Sound ging ins Ohr, brachte Muskelgruppen zum zucken und man kam gar nicht umhin sich nicht zu bewegen. Ad Infinitum schlossen nahtlos an. Frontfrau Melissa Bonny glänzte mit einer beeindruckenden Stimme, die zwischen melodischen Gesängen und aggressiven Screams wechselte und das Publikum kräftig aufmischte. Mit einer unbändigen Energie agierten die Musiker auf der Bühne, motivierten die Fans zum Tanzen und zettelten den einen oder anderen Circle Pit an.
Während Ektomorf den Pit befeuerten und ordentlich Staub aufwirbeln ließen, stachelte Tankard energiegeladen die anwachsende Crowd an. Wir allerdings nahmen uns etwas Zeit für einen Gang über den Campground. Am „Glück in Dosen“ Stand herrschte Hochbetrieb. Das fröhliches Dosenwerfen sorgt nicht nur alljährlich für Gaudi, sondern der gespendete Pfand auch für finanzielle Unterstützung von Kinder- und Jugendprojekten. Dies mittlerweile nicht mehr nur in Ballenstedt und Umgebung, sondern auch in ganz Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Auf dem Platz herrschte geschäftiges Treiben. Die ersten Autos wurden bereits wieder bis unters Dach vollgepackt, andere wiederum genossen die noch verbleibende Zeit unter den Gegensteinen. So manch Campbepflanzung, Kommentatorenbeiträge von der Seitenlinie und erst recht der feurige Hengst im E-Gewand luden zu kurzweiligen Gesprächen ein, sodass die Zeit aus dem Blick geriet. Verdammt, das gab Schelte, denn der heiligste Termin der Fotografen, das Gruppenfoto, verstrich. :-/
Der gitarrenlastige Melodic Death Metal Sound Insomniums rollte über das Areal. Die Finnen gaben dem Stimmungslevel weiter Nahrung und präsentierten sich verdammt agil und spielfreudig. Die Fans reckten sogleich die Pommesgabeln gen Himmel, ließen Hälse knacken und das Haupthaar fliegen. Betontod begeisterten mit ihrem kernigen Punkrock Rock- wie auch Metalherzen und brachten die Massen in Bewegung. Die Songs wie „Kinder des Zorns“, „Schwarzes Blut“ oder die Anti-Nazi-Hymne „Hals-Maul-Arsch-Gesicht“ wurden lautstark mitgesungen, während die Crowd den Staub des Geländes ordentlich aufwirbelte und auch die immer häufiger einfliegenden Surfer den Grabenschlampen ein ansehnlich-schweißtreibendes Workout bescherten. Eine besondere Anerkennung dem Pärchen, welches mit Regenbogenflagge und aufeinander stehend den Platz surfend überquerte.
Wenn Knorkator – die meiste Band der Welt sich ankündigen, dann steht eine gehörige Portion Fun-Metal auf dem Programm und getreu ihrem aktuellen Album „Widerstand ist zwecklos“ konnte man sich ihrer Energie auch an diesem Festivalsamstag keineswegs entziehen. Erwartungsgemäß gab der Wirbelwind den Fotografen die Chance, die Kamera mit dem Blick eines Stumpens auf seine entfesselte Crowd zu richten. Aber entgegen der Boxen-Kletteraktion aus dem Jubiläumsjahr 2018, gereichte der schnelle Sprint um und auf die Bühne. Mit einem Best-Of Set mischten Knorkator das ekstatisch feiernde Publikum auf, die den Staub des Ackers nochmal gehörig zum Tanzen brachten und die Crowdsurfer im Sekundentakt Richtung Graben weiterreichten. Hier griff sogleich die unausgesprochene aber gelebte Kooperation mit den Fotografen, denn die verstauten ihr Equipment und standen den Grabenschlampen beiseite, um der der Flut der Surferschar Herr zu werden. Mit Agnetha, Stumpens Tochter, erhielten Knorkator gesangliche Unterstützung, und gemeinsam performte man „Ding Inne Schnauze“ und „Weg Nach Unten“. Sie lieferte so überzeugend ab, dass sie spontan noch die Weissagung „Wir Werden Alle Sterben“ über das Gelände schmetterte, bevor Knorkator das Publikum mit „Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett“ in den Abend verabschiedete.
Von wegen ins Bett, die Rockharzer waren „Verrückt“ genug um mit Eisbrecher auf wilde „Sturmfahrt“ zu gehen und linderten ihre aufgestauten Emotionen mit einem befreienden, in die Nacht gebrüllten „Himmel, Arsch und Zwirn“. Das „Miststück“ geschlechterneutral ist, hat wohl jeder schon mal am eigenen Leib erfahren müssen und wurde auf dem Platz hart abgefeiert. Seine Kommentare aufs äußerste reduziert, verfehlte Alex´ „Das haben wir alle gebraucht“ seine Wirkung nicht, denn die Zustimmung und donnernde Applaus waren ihm Gewiss und ja, Corona ist ne Bitch.
Wie? Jetzt schon? Kurzweilig und viel zu rasant rann die Zeit uns wie Sand durch die Finger. Veranstalter Thorsten „Buddy“ Kohlrausch versammelte einen Teil des gut 400 Personen umfassenden Rockharz Backroundes auf der Bühne, um einen riesigen Dank an die Crews, Techniker und allen Helfern vor, hinter und auf der Bühne zu formulieren. Denn wie er sagte, es ist nach zwei Jahren Corona nicht mehr selbstverständlich, dass die Stützpfeiler der viel zu lang stillgelegten Veranstaltungsbranche halten. Ist die finanzielle Situation schon kritisch, so sind die personellen Lücken desaströs. Ebenso geht ein eindrucksvoller Kniefall in Richtung des geilen und vor allem treuen Publikums, welches die Festivaltage zu etwas Besonderem machten und dem Rockharz das Beste Kompliment ever schenkten: „ENDLICH ZUHAUSE“.
Aber noch wurde der Sack nicht zugemacht. Den Heavy-Metal-Urgesteinen Accept oblag es, das Feld noch einmal ordentlich unter Druck zu setzen. Dynamisch und anfeuernd sorgte das Sextett mit „Restless And Wild“, „Princess Of The Dawn“, „Zombie Apocalypse“ oder „Pandemic“ für fliegende Haare, kreisende Köpfe und in die Höhe gestreckte Fäuste. Den Traditionen treu, hieß es mit „I´m A Rebel“ unter exzessivem Applaus Abschied nehmen und dem Rockharz 2022 einen würdigen fulminanten Abschuss geben.
Wehmut und Melancholie durchflutete die Anwesenden, und zog immer wieder herzliche Abschieds- und Umarmungsszenen nach sich. Die Reihen vor der Stage lichteten sich, manche Besucher traten den Heimweg an, andere wiederum ließen überschwänglich die vergangenen Tage Revue passieren oder es galt mit der Schweizer Mischung aus Folk Rock und Melodic Death Metal bei Eluveitie noch einmal gepflegt auszurasten und noch einmal die gesamte Bandbreite an Emotionen zu greifen, bevor dann wirklich die Lichter auf den Bühnen gelöscht wurden.
Liebe Organisatoren, liebes Rockharz-Team. Ihr habt es über zwei Jahre kulturellen Stillstands und einem immensen Berg an ständig auftretenden Unwägbarkeiten geschafft, das Rockharz, dessen einmalige Atmosphäre und das Feeling lebendig zu halten. Mit Eurem Durchhaltevermögen habt Ihr auch den Fans immer wieder ein Licht am Ende des Tunnels aufgezeigt. Hierfür möchten wir ein dickes Dankeschön aussprechen. Ihr habt einen Ort geschaffen, der den Alltag verschwimmen und das Nervenkostüm heilen lässt. Ein Ort, an dem sich die Seele erholt und die Batterien mit positiven Vibes aufgeladen werden, denn das Rockharz mit all seinen Beteiligten ist Heimat, Familie und Wohlfühlarea.
Ihr habt mit dem Welcome Back Rockharz den gut 22.000 Festivalteilnehmern ein abwechslungsreiches Line-Up geschnürt, deren Bands spielfreudig die Bühnen rockten und die feierwilligen Fans in Ekstase versetzten. Die Security, die immer ein Lächeln auf den Lippen und hilfreichen Rat parat hatte, sowie die erprobten Grabenschlampen, die in diesem Jahr nicht nur gewichtige, sondern auch vermehrt nackte Herausforderungen meisterte und deren Eroberung des Autogrammstandes einen beachtlichen Andrang hervorriefen. Bei so manch Fan konnte man fast sogar schon hysterische Nuancen beobachten ;-).
Ein explizites Danke auch an die große, wachsende und friedlich miteinander feiernde Metalfamilie, an Ullis magische „Happy Hands“ fürs Verspannungen lösen und last but not least, die liebenswerteste verrückte Fototruppe ever.
Wenn vom 05. – 08. Juli 2023 der Teufel seine Mauer verlässt und mit der Brockenhexe auf der Welle schwimmt, wenn der Acker unter Moshpits erbebt und deftige Growls und harte Riffs über das Tal hallen, dann sehen wir uns hoffentlich wieder und rocken gemeinsam das Jubiläums-Rockharz 2023.