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Das Rockharz feiert 30-jähriges Jubiläum

Das Rockharz feiert 30-jähriges JubiläumVom familiären Miteinander, schweren Abschieden und großen Gesten

08.07.2023 [sh] So zeitig wie nie war das Ticketkontingent für die Jubiläumsausgabe des Rockharzes ausverkauft. Hat es sich doch in den vergangenen 30 Jahren einen Ruf erarbeitet, bei dem Familie, Heimat, Herzlichkeit, Seelenbalsam, Stresskiller und geile Musik verschmelzen und so in den Herzen der Fans einen festen Platz im Jahresurlaubsplan einnimmt. Wurde in den vergangenen Jahren bereits in allen Bereichen Inklusion gelebt, kredenzte man in diesem Jahr noch das gewisse Sahnehäubchen. Denn neben einem vergrößerten Campareal für Menschen mit Beeinträchtigungen, gab es erstmals eine Rundumbetreuung in Form von direkten Hilfen, einem Hilfsmittel-Reparaturservice und personeller Unterstützung durch die Lebenshilfe Braunschweig. Ein Konzept, welches sich andere Festivalveranstalter gern abgucken dürfen und sollen. Natürlich war ebenso das bewährte Spendenprojekt „Glück in Dosen“ wieder mit im Boot.

Auch in diesem Jahr wurde der Mittwoch voll ins Festivalgeschehen integriert, sodass sich das Gros der Anreisewelle auf den Dienstag konzentrierte. Während es tagsüber immer wieder zu längeren Halten, vor allem seitens der Ballenstedter Zufahrt kam, erfreute ich mich bei der abendlichen Anreise eines perfekten Durchkommens. Nach einem herzlichen Willkommen am Pressecounter, ging es wenig später mit Festivalbändchen zum Einlass legitimiert, über den immer noch emsig pulsierenden und wachsenden Campground. Herzlichen Wiedersehensumarmungen folgten dargereichte Einstimmungsgetränke und ein intensiver Neuigkeitenaustausch. Neben einer eifrigen Schar an Teufelsmauer-Gipfelstürmern, erfreute sich der Merchstand eines nicht enden wollenden Andranges. So manch aufmerksame Mitcamper versorgten die Anstehenden dann schon einmal mit ausreichend Flüssignahrung. Im Infield hingegen lud der Mutantenstadl mit ordentlich Druck auf den Lautsprechern zum Tanze.

Mittwoch. Tatsächlich begann der Tag mit einem kräftigen Regenguss. Somit fiel das Frühstück etwas ausgiebiger aus. Schlussendlich versprach aber der Rest des Tages zumindest trocken, wenn auch überaus stürmisch zu werden. Das allerdings tat der Hochstimmung keinen Abbruch. Auch nicht der erneut auftretende Rückstau seitens der Ballenstedter Zuwegung zum Festivalgelände. Mit unterwegs aufgelesenem Presse Kollegen und weiteren Festivalbesuchern war das Auto voll und die auftretende Wartezeit gestaltete sich äußerst kurzweilig.

Nachdem die Öffnung des Infieldes um 15:00 Uhr feierlich vollzogen wurde, war neben der Händler- und Verpflegungsmeile, vor allem der Platz vor der Bühne ein direkter Anlaufpunkt. Den würdigen Auftakt meisterten die bis zuletzt geheim gehaltenen Eric Fish and Friends. Der Subway to Sally Fronter teilte sich so im Verlaufe seines Akustiksets unter anderem mit Hansi Kürsch (Blind Guardian), Holly Loose (Letzte Instanz), Daniel Schulz (Unzucht) wie auch Peter „Peavy“ Wagner von Rage die Bühne. Im Anschluss verloren die Kneipenterroristen keine Zeit und pfefferten dem gut gefüllten Infield eine ordentliche Deutschrockmischung gegen den Latz. Tanzwut traten an, um dem Teufel aufs Dach zu steigen, die anwesende Meute ordentlich in Wallung zu bringen und zudem den Grabenschlampen ein erstes adäquates Crowdsurfer-Workout zu bescheren. Die Brachialromantiker der Letzten Instanz gossen weiteres Öl ins Feuer und heizten den Fans nicht nur musikalisch ein.

Anschließend zettelte Ex-Gloryhammer Frontmann Thomas Winkler als sein Alter Ego Angus McSix einen Powermetal Feldzug mit Schwert, goldener Rüstung und seinen heroisch anmutenden Mitstreitern an und vereinte die wild gewordene Crowd, die ihm im Kampf gegen Bösewicht Seebulon lautstark den Rücken stärkten. Mit „Circus of Doom“ trieben auch Powerfrau Noora Louhimo und ihre Mannen das Stimmungsbarometer weiter nach oben. Während die Finnen unaufhörlich über die Bühne fegten, donnerten die Battle Beast Hymnen energiegeladen über den Platz und wurden von der euphorisch feiernden Menge textsicher mitgesungen.

Das Infield preschend voll, die Bühne um As I Lay Dying allerdings gar nicht. Dank auf dem Flug verlustig gegangenem Equipment, musste kurzerhand improvisiert werden und nach langen, leisen 40 min, rissen die Jungs um Fronter Tim Lambesis mit Leihinstrumenten in der noch verbleibenden Zeit alles nieder und ließen den Acker einmal auf links pflügen.

Mit den Raben von Mono Inc. kamen nun wieder die Darkrockfans auf ihre Kosten. Sie brachten mit einer fulminanten Licht- und routinierten Rockshow inkl. eines Querschnitt ihres musikalischen Wirkens das schwarze Blut in Wallung. Einen Ausflug in phantastische Welten versprachen Blind Guardian mit einem fetten Best-Of-Set. So hallten gern gehörte Klassiker, wie „Imaginations From The Other Side“, „Nightfall“ oder „Time Stands Still (At the Iron Hill)“ über das Festivalgelände und wurde von der ekstatisch feiernden Crowd lautstark mitgesungen und beklatscht. Trotz gegenteiliger Ankündigung kredenzten die Krefelder im Verlauf den überaus beglückten Fans „The Bard´s Song“ und auch das abschließende „Valhalla“ erfreute sich frenetischer Begeisterungsstürme.

Als Surprise Act schickte man Die meiste Band der Welt – Knorkator in Rennen, die der Jubiläumsausgabe des Rockharzes ihre Aufwartung machten. Trotz weithin sichtbarer Losung und aktuellem Albumtitel „Sieg der Vernunft“, ist und bleibt bei Stumpen und Co. alles beim Alten. Neben der musikalischen Unterstützung durch die Next-Generation der Band in Persona von Alf Ators Sohn Tim Tom und Stumpens Tochter Agnetha, durfte auch die „Fotografen auf die Bühne“ Aktion nicht fehlen. Schon ein flinker Sprint gereichte, um einen atemberaubenden Ausblick auf die euphorische Menge aus Sicht der Band inkl. Fotoposing des Wirbelwindes zu erhaschen. Das aufgestachelte Infield ließ sich vollends mitreißen, sang aus vollen Kehlen u.a. „Wir werden alle sterben“ oder „Ding inne Schnauze“ und ließ sich im Sekundentakt über das Meer aus Händen Richtung allzeit bereite Grabenschlampen tragen. Schlussendlich kam natürlich auch die Abendgrußhymne „Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett“ zum Tragen, ohne die sich die Band wohl hätte auch nicht verabschieden dürfen.

Donnerstag. Der ausführliche Plausch am Frühstückstisch zog einen sportlichen Infieldsprint zum Opener des Tages nach sich. Mit einer gehörigen Portion Melodic Metal und deftigen Grouls stachelten Infinitas das Publikum zum Mitsingen und Headbangen an. Aber während ich bereits meinen Frühsport hinter mir hatte, fiel die von Frontfrau Mary Crane angezettelte Bewegungsmotivation in Teilen der Anwesenden wohl den nächtlichen Ausschweifungen zum Opfer. Der Stimmung tat das allerdings keinen Abbruch und als die Schweizer einen Song dem plötzlich kürzlich verstorbenen Promoter Dirk Lehberger widmeten, gabs auch noch Emotionen pur und Gänsehaut gratis.

Die kommenden Tage versprachen mehr Sonne, mehr Hitze und mehr Staub, also nutzte ich die noch relativ angenehmen Temperaturen um meinem Bewegungsdrang Raum zu geben. So trat ich mit der Infieldbeschallung von Delta Bats, How We End und der Kris Barras Band den Weg zum Gipfel der Teufelsmauer an. Die faszinierende Aussicht, der Blick über das gesamte Festivalareal, welches in diesem Jahr aufgrund erhöhtem Ticketkontingent noch einmal an Fläche hinzugewonnen hat, entschädigt definitiv für jegliche Anstrengungen.

Auch wenn The Dark Side Of The Moon zu den diesjährigen Ersttätern des Rockharzes gehörten, so sind sie doch keine Unbekannten. Aus Mitgliedern von Amaranthe, Feuerschwanz und Ad Infinitum bestehend, überzeugten sie auch in dieser Formation und rockten die Bühne. Neben Songs aus ihrem aktuellen Debutalbum „Metamorphosis“, coverten sie bevorzugt Melodien aus der Fantasy, Film- und Spielewelt, rund um „The Witcher“, „Harry Potter“ oder „Game of Thrones“, um sie in ein metalisches Gewand zu kleiden.

Eventuell aufkommende Befürchtungen, dass mit dem Einstieg Daniel Schulz als neuer Fronter der NDH-Urgesteine OOMPH!, die Unzucht abgelegt wird, räumte selbiger nicht nur in Worten, sondern vor allem mit der anschließenden energiegeladenen, spielfreudigen, unzüchtigen Performance aus. Hits wie „Todsünde 8“, „Unzucht“ oder „Engel der Vernichtung“ hallten kraftvoll über den Platz und wurden natürlich von den Fans lautstark mitgesungen und abgefeiert. Mit den Irish-Speed-Folkern Fiddlers Green gab es mehr Pogo, mehr Circle Pit und bestimmt auch mehr Whiskey. Mit ordentlich Rhythmus im Blut tanzte die Menge, brachte den Kessel zum Überkochen und auch die Crowdsurfer ritten, zur Freude der unbeirrt alles und jeden entgegennehmenden Grabenschlampen, in Massen die Welle. Dem schloss sich auch Geiger Tobi an, der sich in einem Gummiboot fiedelnd auf Händen tragen ließ.

Im Anschluss galt es bei den Oberpiraten Mr. Hurley & seinen Pulveraffen anzuheuern. Dem Rum nicht abgeneigt, kann es leicht passieren, dass Mann „Blau, wie das Meer“, „Mann über Bord“ geht, während unterdessen eine standsichere Dame auf gestähltem Body getragen, nach Tortuga segelte bzw. in die sicheren Arme der Grabenschlampen.

Verschnaufpause? Von Wegen! Trotz zu erwartender Bandveränderungen ließen die Apokalyptischen Reiter nichts anbrennen und gaben ihren Rössern die Sporen. So eskalierte zu Songs wie, „Der Adler“, „Volle Kraft“ oder „Revolution“ die Masse, bebte der Acker, wirbelte der Staub und rann der Schweiß, vor allem im Hinblick auf die Crowdsurfer-Hochwerf-Aufforderung. Hämatom legten nach und die Stimmung auch weiterhin am Kochen. Und auch die vier Himmelsrichtungen baten ihre Crowd um tatkräftige Workoutumsetzung. Nehmt die Mädels auf die Schultern wurde sodann auch zahlreich in die Tat umgesetzt. Aber genauso durfte das Drumsurfing nicht fehlen.

Zog mit untergehender Sonne und Paradise Lost noch ein Hauch Melancholie über das Infield, wurde diese mit fallendem Vorhang, spektakulärer Pyro und der kraftvoll donnernden Feuerschwanz Hymne „Memento Mori“ vom Platz gefegt. Die Menge vor der Bühne lauscht den Erzählungen von Alten Göttern, großen Kriegern und den Trinkgelagen, während es rhythmisch die Fäuste in die Höhe riss, Crowdsurfer sich den Weg gen Bühne bahnten, Moshpits angezettelt wurden und man rudernd das Meer des Staubes überwand. Mit brachialen Beats und druckvollen Gitarren vertrieben In Flames aufkeimende Müdigkeit. Unterlegt von einer bemerkenswerten Lichtshow stand die aktuelle Scheibe im Fokus, dessen Sound bei den Anwesenden versteckte Energiereserven mobilisierte und neben kraftvollem Klatschen, lautstarken Gesängen auch die Grabenschlampen im Training hielten. Welch eine Wucht!

Während Skáld mit intensiv getragenen Rhythmen etwas Ruhe einkehren ließen, verabschiedete Onslaught den zweiten Festivaltag mit einer Thrash-Metal-Walze.

Freitag. Oha. Ein wenig hatte man das Gefühl des Teufels heißes Wohnzimmer zu betreten. Die Sonne brannte bereits ordentlich auf den Planeten, als Children of Grotesque zur Eröffnung zum Mosh- und Circlepit baten. Ausgelassenes Tanzen und Headbangen stand auch bei Null Positiv auf dem Programm. Stimmgewaltig donnerte Frontfrau Elli Berlin den Anwesenden „Freiheit“, „Friss Dich Auf“ oder „Amok“ um die Ohren und wechselte hierbei mühelos zwischen deftigen Screams, brachialen Growls und sauberem Klargesang. Folkiger und nicht minder tanzbarer wurde es mit Rauhbein, die just ihr zweites Album „Herz Eines Kriegers“ releasten.

Wenn es einmal um Veröffentlichungen geht, auch „Legends“, das Debütalbum der folgenden All For Metal eroberte taggleich die gut sortierten CD Regale. Mit heroischen Posen und Erzählungen von epischen Schlachten, verpackt in eingängige Mitsing-Heavy Metal-Hymnen rekrutierten die Rockharz-Neulinge ein beachtliches Heer an Frühaufstehern, die martialisch die Stimmen erhoben und die Fäuste drohend in die Höhe streckten. Trotz sengende Hitze befeuerten auch Burning Witches das aufgeheizte Publikum, welches mit fliegenden Haaren, knackenden Nacken und in die Luft gereckten Pommesgabeln ihrem Bewegungsdrang Luft machten. Als Dank gabs von den Grabenschlampen eine kühle Dusche aus dem Wasserschlauch. Bloodbound kredenzten neben ihrem neuen Album „Tales From The North“, einen packenden Geschichtenmix rund um die nordische Mythologie und andere Kreaturen und hielten damit weiterhin das Bewegungslevel der Meute auf hohem Niveau.

Huch. Ein Déjà-vu-Moment. Hatte doch nun auch Septicflesh der Equipmentverlust heimgesucht, der Leihinstrumente nötig machte und eine weit weniger auffällige Bühnengewandung nach sich zog. All das allerdings tat dem Abriss der darauf folgte keinen Abbruch. Destruction warteten mit einem Klassikerset aus vierzig Jahren Bandgeschichte auf, welches die Fans mit ausgewachsenen Circlepits honorierten und den Staub gehörig aufwirbelten.

Mit neuem Gesicht an der Gesangsfront sowie der vor wenigen Stunden veröffentlichten Single „Shelter“ eroberten Equilibrium die Rockharz-Bühne. Mochte Fabian Gettos Bühnenpräsenz teils noch schüchtern anmuten, lieferte er gesanglich eine volle Breitseite, welche die Fans ausgelassen abfeierten. Während mit Sonata Arctica episch donnernde Klänge über das Harztal hallten, lieferten Versengold treibende Folk-Rhythmen, die nach Bewegung und Tanz schrien. Gemeinsam ging es mit den Spielmännern und einem „Kobold Im Kopp“ „Durch Den Sturm“ um schlussendlich noch einmal eindrücklich klarzustellen, dass man „Niemals Sang- und Klanglos“ unterzugehen gedenkt. Aber auch die leiseren Töne kamen an und so sorgte auch diesmal wieder „Haut mir keinen Stein“ für melancholische Töne und Gänsehaut, bevor es mit „Thekenmädchen“ und „Letzte Runde“ wieder bierseliger wurde. Alkoholisch können auch Korpiklaani. Die Finnen hatten nicht nur die „Bier, Bier“ Gesänge am Start, hier griff man Promillelastig gleich noch tiefer ins Glas, eskalierte mit „Vodka“ und zettelte eine berauschend, feuchtfröhliche Pit-Party an.

Airbourne sind Legende und eine Rock´n´Roll Urgewalt. Von Beginn an pflügten die Australier den Acker mit einer Vehemenz und Ausdauer auf links, preschten in einem Tempo über die Bühne, gerbten die Felle und griffen beherzt in die Saiten. Während „Girls In Black“ ging es kurzerhand für Frontmann Joel O´Keeffe Huckepack und mit Gitarre durch die frenetisch feiernde Masse, wo er mit einer sich am Kopf aufgeschlagenen Bierdose für eine spritzige Hopfendusche sorgte. Eine ansteckend energetische Atmosphäre erfasste das Publikum und so brachten Highlights wie „Breakin`Outtta Hell“ oder „Running Wild“ die Menge zum Toben und ordentlich Bewegung ins Infield. Eine wahrlich fulminante Show, welche unter exzessivem Applaus endete.

Mit Arch Enemy und der agilen Frontfrau Alissa White-Gluz wurde es im Anschluss nicht minder dynamisch. Das mittlerweile internationale Quintett zog mit ihrer eindrucksvollen Licht- und Pyroshow alle Register und begeisterte mit einem repräsentativen musikalischen Querschnitt durch die Schaffensphasen. So sorgten Tracks wie „My Apocalypse“, „The Eagle Flies Alone“ oder „We Will Rise“ für einen siedenden Hexenkessel, Köpfe rotierten im Takt und die Crowdsurfer ritten unentwegt die Welle. Wie auch andere Bands, so erinnerten Arch Enemy an den viel zu früh verstorbenen Dirk Lehberger. Er war neben dem Booking für das Rockharz auch der Booker der Bands selbst. Ihm widmeten sie den Song „As The Pages Burn“ der brachial über das Infield gen Himmel hallte. „Nemesis“ gab dem dritten Festivaltag einen würdigen Abschluss und hinterließ begeisterte Fans.

Samstag. Schon während man die Nase aus dem Fenster resp. dem Zelt steckte, war klar, der Tag versprach ein tropischer Höllenritt zu werden. Jegliche Bewegung war zu viel und gipfelte kurzerhand in ein schweißtreibendes Workout. Trotz sengender Mittagshitze fanden sich direkt vor der Bühne eine ordentliche Menge ein, um den beschwingend-groovigen Klängen der wiedervereinten Voodoo Kiss zu lauschen und sich vom gitarrenlastigen Elektrosound der Bielefelder Soulbound die letzten Katerspuren der vergangenen Nacht aus dem Kopf prügeln zu lassen. Mit A Life Divided rollte eine ebenfalls düstere Darkrock Walze über das Areal. Während die spielfreudigen Oberbayern um Fronter Jürgen Plangger dem Stimmungslevel weiter Nahrung gaben, schafften die Grabenschlampen mit ausreichend Druck aus dem Feuerwehrschlauch feucht-kühle Erleichterung.

Ohrenfeindt begeisterten mit ihrem Vollgasrock aus St. Pauli. Mit Boliden-Hits wie „HarleyLuja“, „Porschekiller“ oder „Motor-An“ gaben sie den PS-Junkies Zucker und ernteten lautstarke Fangesänge. Dass man jedoch nicht nur Party machen kann, bewiesen die Hamburger mit ihrem Appell, stärker auf Menschen mit Depressionen zu achten und schlossen thematisch ihr Set mit dem emotionalen „Tanz Nackt“, welcher nicht nur für Gänsehaut sorgte, sondern auch deutliche Zustimmung erntete. Ein harter Break und schon segelten die Anwesenden mit Einherjers stampfenden Wikingerhymnen nach Valhalla und per Händemeer über die Crowd zu den Grabenschlampen unseres Vertrauens. Wolfheart brachten das Infield mit der Anzettelung eines „human ventilators“ das Infield weiter in Wallung und wirbelten zudem gehörig Staub auf. Auch der Klassiker „Aeon of Cold“ versprach keine fühlbare Abkühlung, sondern wurde frenetisch und schweißtreibend abgefeiert.

Wind Rose hatten sich nicht nur sprichwörtlich ein dickes Fell angelegt. Während jedes Individuum rund der Teufelsmauer unter den aktuellen Temperaturen nur so ächzte, schienen die Herren aus der Toskana in ihren beachtlichen Gewandungen geradewegs aus der Eiszeit geweht worden zu sein. Nicht vom Winde verweht, aber vom Van liegengelassen enterten Legion of the Damned erst mit rund 20 min Verspätung die Bühne, lieferten dann aber ein kurzes und verdammt knackiges Set ab, welches für ordentlich Kopfrotationen und in die Luft gestreckte Hände sorgte.

Neben dem Rockharz, blicken auch Moonspell auf 30 Jahre Bandgeschichte zurück und servierten den Festivalanern ein abwechslungsreiches Menü, welches zudem von den Grabenschlampen spritzig bedacht wurde. Dies feierte man nicht nur im Infield mit Begeisterung, auch im Sicherheitsgraben selbst fanden sich Sanis oder Fotografen, die natürlich nach Ablage ihrer Technik die Abkühlung nutzten und eine Vollbad nahmen. Die aktuelle Tour Life of Agony´s steht im Zeichen ihres 1993 erschienenen Debütalbums „River Runs Red“, welches auch das Set auf dem Rockharz bestimmte. Die Energie auf der Bühne war durchaus greifbar, flitzten die Alternative-Metal-Legenden aus New York über die Bretter, sprangen, posten und konnten im Verlaufe auch das Publikum zu dem Einen oder anderen Circlepit aufstacheln.

Während die Sonne sich langsam am Horizont verabschiedete, ging der musikalische Spielball an Lord of the Lost. Voller Euphorie und energischem Bewegungsdrang bemaßen die Hamburger die komplette Bühne und hatten neben einem mitreißenden Best-of-Set durch alle Schaffensepochen natürlich auch den diesjährigen ESC-Song „Blood and Glitter“ im Gepäck. Die entfesselte, weithin sichtbare Crowd feierte die Band frenetisch und sang umso lauter und textsicherer mit.

Bereits der Bühnenvorhang in Regenbogenfarben ein Statement, ließen Saltatio Mortis auch mit dem Opener „Alive Now“, „Brot Und Spiele“ und „Dorn Im Ohr“ keine Fragen offen. Vom Publikum erfolgte die Zustimmung durch lautes textsicheres mitsingen, frenetisches klatschen und springen. Für den folgenden Song bat Alea das Crowdsurfen einzustellen und „Loki“ brannte mit einem eindrucksvoll inszenierten Flammeninferno die Rockharzwelt nieder und setzten den Hexenkessel in Brand. In Gedenken an Booker Dirk donnerte „The Dragonborn Comes“ mit weiblicher Gesangsunterstützung von Lacuna Coil Fronterin Cristina Scabbia über das Areal. Natürlich kam auch die Partystimmung nicht zu kurz, die mit dem Electric Callboy Cover „Hypa Hypa“ ordentlich befeuert wurde, während man zum Abschluss den „Spielmannsschwur“ erneuerte.

Dass ein Abschied immer schwer ist, viel zu schnell kommt und unter die Haut geht, merken wir nicht nur, wenn sich unser geliebtes Rockharzfestival dem Ende neigt. Der Dank an den Rockharz-Background, die Bands und Fans von Veranstalter Buddy im Beisein eines kleinen Teils der Crew kostete in diesem Jahr sichtlich Kraft und vor allem Tränen. Nicht nur, dass der Tod des langjährigen Wegbegleiters und Bookers Dirk Lehberger das Festival überschattete, so riss auch der plötzliche Unfalltod der Küchenchefin des Artist Caterings ein tiefes Loch in die Runde. Ihnen zu Ehren schickte man ein weithin sichtbares emotionsgeladenes Lichter-, Flammen und Herzensmeer gen Himmel.

Nach diesem Wechselbad der Gefühle zwischen Anteilnahme, Tränen, Betroffenheit und Gänsehaut galt es der diesjährigen Jubiläumsausgabe des Festivals noch einen positiv imposanten Abschluss zu setzen. Amon Amarth waren dafür prädestiniert. Der Vorhang viel und ein überwältigendes Bühnenbild zog die Anwesenden in den Bann, der mit „Guardians Of Asgaard“ und der abgefeuerten Pyro sogleich schmolz und die Fans in höllische Ekstase versetzte. Energiegeladen und spielfreudig ging es mit den Nordmännern in die Vikingerlande, die mit ihrem Best-Of-Set ein opulentes Mahl auftischten. Sei es „The Great Heathen Army“, „The Pursuit Of Vikings“ oder Mitmachnummern wie „Shield Wall“, „Raise Your Horns“ und „Put Your Back Into The Oar“, die aufgehitzte Menge folgte berauscht den drängenden Schlachtrufen der Schweden und ruderte das Boot über den glühenden Ballenstedter Acker Richtung Valhalla und dem glorreichen Finale entgegen. Schlussendlich den Abend final beschlossen Phil Campbell and the Bastard Sons mit ihrer Hommage an Lemmy Kilmister und ihrem Set voller Motörhead-Klassiker und Kracher, welche beim Publikum für ordentlich Kopfrotationen und in die Höhe gereckte Pommesgabeln sorgten. Auch so manch Circleplit pflügte noch einmal den heiligen Acker um, bevor dann wirklich die Lichter gelöscht wurden und das Jubiläums-Rockharz sein Ende fand.

Auch im dreißigsten Festivaljahr haben die Organisatoren ein rundum stimmiges Gesamtpaket geschnürt und haben keine Scheu neue Wege rund um Inklusion zu beschreiten. Das einmalige Zusammenspiel des gesamten Rockharz-Teams, Bands und Fans, wie auch den relaxten Securitys und den immer bereiten und alles stemmenden Grabenschlampen (die auch mal modische Experimente wagen), der wachsenden Happy Hands Crew die mit magischen Händen (für harte Fälle auch mit dem Fleischklopfer) jegliche Verspannungen lösen und natürlich die verrückte Fotofamilie machen das Rockharz Jahr für Jahr zu etwas Besonderem. Ein Stück Heimat, ein lautes Zuhause mit geiler Musik, ein Energiegeber und Seelenheiler der den Sturm im Herzen entfacht und den Lebenshunger füttert.

Wir sind schon voller Vorfreude auf die kommende Ausgabe in der Zeit vom 03. – 06. Juli 2024, die jetzt schon mit Kreator, Hammerfall, Dirkschneider, Hatebreed, Lordi, Schandmaul, Unleash the Archers, Soilwork, Orden Ogan, Unearth, D’Artagnan, Rage, Heldmaschine und Parasite Inc. Lust auf mehr macht. Lust aufs Rockharz, auf Metal, Growls und Screams, auf fliegende Haare und das Knacken im Hals, aber allem voran auf das Beben im Herzen, wenn die Familie zusammenkommt.

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