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Das Plage Noire 2022

Ein Wochenende am schwarzen Strand

07.05.2022 [red] „Nach Sylt zu fahren ist aber überhaupt nicht Goth“ – so oder so ähnlich klang ein Kommentar unter einem Urlaubspost des Lord of the Lost Frontmannes Chris Harms. Teilweise richtig; denn Goths fahren an den Weissenhäuser Strand. Zumindest einmal im Jahr. Das Plage Noire hatte endlich wieder geladen und auch hier machten Lord of the Lost wieder „Urlaub“ – und neben ihnen viele weitere aus der Créme de la Créme der Szene – und die angereisten Fans sorgten dafür, dass sich der Strand wieder schwarz färbte.

Freitag. Bereits mit Beginn des Festivals waren die einzelnen Locations recht gut gefüllt. Man merkt den Fans an, dass sie monatelang auf Events wie dieses zu warten hatten. Merciful Nuns hatten die Ehre der Eröffnung und legten direkt gut los. Wenige Minuten später eroberte die Heldmaschine die Hauptbühne und ließ bei einer fantastischen Lichtshow Hits wie „Himmelskörper“ vom Stapel, die alle Beteiligten sofort zum Mitfeiern einluden. Bereits im Anschluss sollte es Schlag auf Schlag gehen, sodass früh deutlich wurde, wie man sich zwischen Bands entscheiden musste. Das Ich wusste im Salle de la Fête zu überzeugen und brachte sich von Song zu Song mehr und mehr in Rage – bis hin zum Hit „Destillat“. Painbastard wussten derweil mit ihren harschen Klängen die kleinste Location des Festivals, „La Rotonde“, auszufüllen und kaum hatten diese beiden Bands ihre ersten Töne erklingen lassen, begann die Tanzwut mit Dudelsäcken und derlei mittelalterlichen Instrumenten die Hauptbühne zu entern. Das Publikum kam langsam in Wallung. Während die vorderen Reihen schon ordentlich mitzufeiern wussten, wurde weiter hinten bei der Widmung an den Dichter Francois Villon, dem nach ihm benannten Song, immerhin mitgeschunkelt oder dem „Bruder Leichtsinn“ zugeklatscht. Doch dabei sollte es an diesem Abend nicht bleiben.

Frozen Plasma sind aus dem elektronischen Bereich der Szene nicht mehr wegzudenken. Das spürte man auch bei deren Konzert an diesem Abend. Schon beim Opener, einer der Hymnen der Band „Age After Age“ war die Freude auf die Band groß. Diese wusste sich im Laufe des Abends stetig zu weiter zu steigern. Eine amüsante Geste war das Verschenken eines Whiskeyschlucks an einen Fan, der erraten konnte, dass es sich bei „Hypocrite“ um die erste Single der Band handelte. Natürlich gab es nicht nur alte Songs zu hören, auch neuere Tracks wie „Safe.Dead.Harm“ oder „Moths“ waren im Set zu finden, so das ein guter Querschnitt zu hören war.

Lord of the Lost sind eine der am schnellsten gewachsenen Bands der Szene. Tourten sie noch vor gut zehn Jahren als Vorband von der Letzten Instanz oder Mono Inc. füllen sie schon heute viele Hallen und auch vor der Hauptbühne des Plage Noire sammelten sich viele Zuschauer. Mit „Priest“ eröffneten sie ihrerseits den Abend und rissen das Publikum von Song zu Song immer mehr mit. Song Nummer drei mag für den einen oder anderen eine Überraschung gewesen sein: Sie coverten „Judas“ von Lady GaGa. Schon vor einigen Jahren war mit Bad Romance ein solches Cover von der Band performt worden, doch passt dieser Track perfekt in den Kontext des aktuellen gleichnamigen Albums der Band. Am Festivaltag erschien mit „The Heartbeat of the Devil“ auch noch eine neue EP der Gruppe, die Sänger Chris Harms natürlich auch zu erwähnen nicht vergaß – und die Band spielte auch alle Songs daraus. Darunter ein Cover der Band Iron Maiden, mit der die Hamburger in wenigen Wochen auf große Stadiontour gehen werden. Die fantastische Stimmung im Zelt sprang spürbar auf die Band über, der es auch kaum etwas ausmachte, dass aufgrund einer technischen Störung die erste Strophe des Song „Raining Stars“ ohne Gesang auskommen musste. Mit den größeren Hits wie „Blood for Blood“ – das zum Springen einlud – und „Six Feet Underground“, dass von einer aufleuchtenden Gitarre unterstützt gespielt wurde, ging ein gefeierter Gig zu Ende, den die Band zu würdigen wusste: „Es war schön, nach so langer Abstinenz eine Akustiktour zu spielen, doch das hier war eine richtige Party – danke Plage Noire!“

Direkt im Anschluss starteten die Shows von Nachtmahr im Salle de Fête und Future Lied To Us im La Rotonde. Letztere hatten diese Location restlos gefüllt und sorgten von Anfang bis Ende für eine schöner Party. Neu-Sänger Damasius wirkte anfangs etwas nervös, zeigte aber, dass er definitiv einen Platz bei den Profis verdient hat. Nachtmahr dagegen legten härtere Töne und eine gewohnte Bühnenshow vor, die ebenfalls für ausgelassene Stimmung sorgte.

Langsam neigte sich der Tag dem Ende entgegen und die Menschen sammelten sich wieder mehr und mehr im Le Chapiteau – dem Zelt mit der Hauptbühne. Subway To Sally sollten hier gleich beginnen – eine Band, die in diesem Jahr ihr dreißigjähriges Jubiläum feiert und damit zu den „Szene-Legenden“ zählt. Dies bewiesen die Brandenburger auch von Beginn an. Mit Songs vom aktuellen Album „Hey!“ wurde die Show eröffnet und gleich zum Tanzen und Headbangen eingeladen. Nach einer Ansage zum Glück der Tatsache, dass wieder gemeinsam gefeiert werden darf, folgte ein Szenehit der Band nach dem anderen. Aus nahezu jedem Album wurde ein Song gespielt und jeder konnte mitgesungen werden. Insbesondere bei Kleid aus Rosen, Eisblumen und Sieben zeigte das Publikum seine Textsicherheit. Sänger Eric Fish verlor diese für kurze Zeit beim Song Falscher Heiland der an diesem Abend aktuellen Geschehnissen und entsprechenden Persönlichkeiten „gewidmet“ war. Dabei sang er die erste Strophe nicht mit und begründete dies später damit, dass die Bilder, die dazu im Kopf auftauchten für emotionale Ablenkung gesorgt hätten. Das Publikum zeigte sich verständlich und feierte Songs wie Messias oder Veitstanz umso mehr. Zu Besser du rennst ließ es sich Mr. Fish nicht nehmen die erste Reihe komplett abzuklatschen und gemeinsam mit einigen Fans den Song zu singen. Die Zugabe wurde – wie bei der Band gewohnt – mit „Blut, Blut, Räuber saufen Blut“- Gesängen eingefordert und mit weiteren Hits dankend beantwortet. Die Stimmung steigerte sich stetig, bis die Band eben jenes Lied zum Abschied preisgab. Ein gelungener Abschluss des ersten Festivaltags.

Samstag. Waren am Vortag bereits elf fantastische Konzerte zu erleben, sollten heute sechzehn weitere folgen, bei denen für viele Festivalbesucher die Bandauswahl aufgrund von parallelen Spielzeiten schwer fallen sollte. Doch zunächst lud Christian von Aster in die Cri de la Mouette zur ersten von zwei Lesungen. Der Saal war schon weit vor Beginn gut gefüllt, sodass er einfach etwas früher begann und ein T-Shirt in Größe S verlosen wollte. Ein Herr, dem dies augenscheinlich nicht passen würde, war anderer Ansicht und so wurde er vor versammelter Mannschaft zum Anziehen gebeten. Es gelang ihm tatsächlich. Ein herrlicher Anblick und ein amüsanter Beginn des zweiten Festivaltags.

Als erste Band spielten The Foreign Resort im Salle de Fête auf. Die Dänen spielten einen Querschnitt ihrer bisherigen Veröffentlichungen vor leider noch nicht allzu vielen Zuschauern. Die vielen Besuchern bisher unbekannten Wisborg eröffneten auf der Hauptbühne mit düsterer Rockmusik, die etwas eintönig wirkte, insbesondere da auch kaum Ansagen gemacht wurden. Dennoch füllte sich die Halle Stück für Stück. Wohl aber auch, weil die folgenden Lacrimas Profundere von vielen erwartet wurden. Mit ihrem neuen Sänger Julian Larre konnten sie auch die Plage Noire Besucher wieder überzeugen. Dieser lies sich von – und auch in der Zuschauermenge feiern. Die, wohlgemerkt mit Pausen, seit den 80er Jahren aktiven Clan Of Xymox starteten derweil ebenfalls ihre Show und mischten bekannte und unbekanntere Songs, die allesamt zum Feiern anregen wussten.

Kurzfristig eingesprungen konnte im Anschluss Haujobb erlebt werden. Das Duo um Daniel Myer lieferte eine solide Show ab. Von NightNight hatten viele Festivalbesucher augenscheinlich noch nicht gehört, füllte sich La Rontonde doch nur sehr zögerlich. Doch das aus New York angereiste Duo gab spürbar alles und konnte an diesem Abend sicherlich viele neue Hörer gewinnen. Eine tolle Show mit vielen live gespielten Synthesizern und Effekten, die es sich anzuschauen lohnte.
Vor der Hauptbühne sammelten sich derweil eine Menge Zuschauer voller Erwartung auf die Show von Combichrist. Die Band um Andy LaPlegua enterte die Bühne mit gut zehn Minuten Verspätung unter großem Jubel und sorgte vom ersten bis zum letzten Song, zu denen unter anderen „Get Your Body Beat“ oder „Can’t Control“ gehörten, für frenetisches Feiern, Tanzen, Springen und Mitsingen. Selbiges endete überraschenderweise ganze fünfzehn Minuten zu früh – doch dies kam vielen Fans gerade gelegen, um rechtzeitig die Location zu wechseln, um dort Aesthetic Perfection zu feiern. Ein gut aufgelegter Daniel Graves sorgte dort dafür, dass die Stimmung gleich auf kochender Temperatur blieb. Bei „Never Enough“ wurde laut mitgesungen, zu Antibody sprang gefühlt der gesamte Saal und Songs wie „Spit it Out“ und „Automaton“ sowie die Klavierballade „All Beauty Destroyed“ zeigten die beliebte Vielseitigkeit des Projektes.

Die Mainstage enterte kurz darauf niemand Geringeres als Joachim Witt in besonderem Gewand. Zum Ende seiner Rübezahl-Albumtrilogie sollte aus eben dieser ein großer Querschnitt zu hören sein. Die Songauswahl beschränkte sich nahezu hierauf – doch selbstverständlich waren auch altbekannte Töne zu hören: Der Goldene Reiter wurde von der gesamten Zuschauerschar mitgesungen und gefeiert.

Die auch schon gut dreißig Jahre aktiven In Strict Confidence luden im Anschluss wieder zu elektronischen Tönen in den Salle de Fête. Mit Gitarristin und einer gewohnt ambitionierten Show gab es eine in einem gut gefüllten Saal eine solide Show ohne größere Überraschungen. Parallel dazu waren rockig-mittelalterlich angehauchte Töne im La Rontonde zu hören. Die aus Kroatien stammenden Manntra, die aktuell als Support von Mono Inc. unterwegs sind, baten hier zum Tanz. Sie ließen viele Tracks von ihren beiden neueren Album vom Stapel.

Ein bereits jetzt unglaublich gelungener Festivaltag, wurde nun gekrönt von einer wirklich außergewöhnlichen Show: Deine Lakaien hatten sich für diese zu zweit auf die Bühne gesellt und spielten alle Songs des dreißig Jahre alt gewordenen Albums „Dark Star“. Dies wurde mit heller Begeisterung vom Publikum angenommen, dass sich von vielen Tracks spürbar an alte Zeiten erinnert fühlte. Sänger Alexander Veljanov hob mehrfach die Besonderheit dieses Gigs hervor. Außer bei akustischen Konzerten seien Deine Lakeien an diesem Abend in ihrer Bandgründung 1985 erst das zweite Mal in der Geschichte zu zweit auf der Bühne zu sehen. Das Publikum genoss spürbar die Atmosphäre der Songs und feierte die Band während und zum Ende des Konzerts gebührend.

Langsam aber sicher neigte sich das Festival seinem Ende und gleichzeitig offiziellem Höhepunkt entgegen. Der finale Act im Rotonde waren Leichtmatrose um „Joachim Witts Ziehsohn“, die den Raum gut zu füllen und für gute Stimmung zu sorgen wussten. Mit poppigen Tracks wie „Wenn es Nacht wird in Paris“ oder „Jonny fand bei den Sternen sein Glück“ waren im Vergleich zu den anderen Acts des Festivals eher ungewöhnliche Töne und Lyrics zu hören. Im Salle de Fête sorgten derweil De/Vision für eine elektronische Party. Schon mit dem ersten Track war das Publikum in Bewegung und Sänger Steffen Keth tanzte frenetisch mit.

And One. Eine Band, die viele andere elektronische Acts geprägt hat. Und um kaum eine andere gab es in den vergangen zwei Jahren mehr Kontroversen und Diskussionen rund um merkwürdige Postings. Dies wurde von einigen Besuchern mit getragenen Aluhüten „gewürdigt“. Ein großes schwarzes Tuch das die Mainstage verhüllte, fiel rechtzeitig mit Beginn der Show und ein sichtlich gut gelaunter Steve Naghavi kam zum Vorschein. Hits wie „Shouts of Joy“, „Für“ und das Project Pitchfork- Cover „Timekiller“ sorgten von Beginn an für eine tanzende Menge. Und trotz vielerlei Befürchtungen und möglichen Ablehnungen gegenüber der Band war das Zelt sehr gut gefüllt und die Band wurde ordentlich gefeiert. Bei Ansagen hielt sich der 51-jährige jedoch merklich zurück und konzentrierte sich viel mehr auf eine Show, die er mit gewohnt ausgelassenen Tänzen untermalte. Nach ruhigeren Tönen zu „Unter meiner Uniform“ und „Killing the Mercy“ steigerte sich die Stimmung und Songauswahl Stück für Stück. So wurden „Traumfrau“ oder „Speicherbar“ gefeiert, „Military Fashion Show“ und „High“ frenetisch mitgesungen und intensiv getanzt. Ein gewohnt würdiger Abschluss für ein Festival der Szene.

Auf der After Show Party mit den DJs Daniel Graves und Ronny Moorings sammelten sich anschließend noch einige Fans und auch viele Bandmitglieder ließen sich blicken. So konnte der Abend bei bester Stimmung und Musik ausklingen.

Auch im nächsten Jahr wird wieder am Meer gefeiert: Der Vorverkauf für das Plage Noire im Jahr 2023 ist bereits gestartet, Bands sind bisher noch nicht bekanntgegeben, doch zieht alleine das ausgesprochen einzigartige Festivalambiente sicherlich wieder die Besucher an den „schwarzen Strand“.

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