Rockharz Open Air 2015
Von kleinen Hindernissen, fliegenden Rosen und teuflisch guter Musik
11.07.2015 [sh] In den 1960er Jahren entdeckte die DEFA, einstige Filmindustrie der DDR, den Harz und die Teufelsmauer mit ihren eigentümlichen Felsformationen für sich. In Spielfilmen wie „Der lange Ritt zur Schule“ oder „Die Söhne der großen Bärin“ dienten letztere als eindrucksvolle Kulisse. Nach der Wiedervereinigung wurde das Gelände auch für internationale Filmproduktionen interessant. So bot es tolle Motive für „Die Päpstin“ oder „Der Medicus“. Mit dem Märchen „Hans Röckle und der Teufel“ und dem aktuellen Kinderfilm „Bibi & Tina: Voll verhext“ kamen sogar der Teufel und die Hexen wieder zurück in den sagenumwobenen Harz. Was natürlich für die Filmindustrie gut ist, kann nicht schlecht für ein ausgelassenes Metalfestival sein. So wird das Gelände des Ballenstedter Verkehrsflugplatzes unterhalb der Teufelsmauer bereits seit einigen Jahren am zweiten Juliwochenende von brachialen Riffs und teuflisch growlendem Metalsounds erschüttert. Zum zweiten Mal infolge konnte bereits vor Beginn des Festivals der Ausverkauf der beliebten 3-Tages-Kombitickets vermeldet werden.
Bereits Tage zuvor war die innere Vorfreude auf das Rockharz Open Air deutlich spürbar. Endlich lang vermisste Freunde wiedersehen und bei jeder Menge guter Gehörgang-freipustender Metalriffs den Kopf freibangen. Zudem sprach auch das Warm Up Line-Up für sich. Gleich drei Dinge auf einmal? Das geht nun wirklich nicht! Aber klar doch dachte sich ein Großteil der Besucher, die es bereits am frühen Mittwoch zur Teufelsmauer zog. Der Ansturm immens, die Zufahrtsstraßen deutlich überlastet. Die Folge waren lange Staus und eine doch überaus beachtliche Wartezeit. Was tun? Warten und aus der Not eine Tugend machen. Die Campingausrüstung dabei, Essen und vor allem Getränke in ausreichender Menge vorhanden, also funktionierte man kurzerhand die Straße zum Grillplatz und Partymeile um. Während man auf der Straße nur langsam vorankam, spielten auf der Devils Wall Stage bereits Bands wie Stahlmann und Suidakra und läuteten den Festivalauftakt ein.
Mit strahlendem Sonnenschein, einer steifen Brise und hämmernden Metalsound begrüßte mich am Donnerstag das Festivalgelände. Während auf dem Zeltplatz die nimmermüden Feierwütigen lautstark den Platz beschallten, die Langschläfer langsam aus ihren Betten krochen und irgendwie schlaftrunken zur Dusche wankten, feierten vor der Stage bereits begeisterte Fans ihre Band. Majesty vertrieben mit ihrem Power Metal auch die letzten Schlafgedanken und zogen mehr und mehr Besucher auf das Flugfeld. Nachdem auch die isländischen Pagan-Metaller Skálmöld den geneigten Besuchern weiter einheizten, war es danach Zeit für meinen ersten Favorit-Act. Gemeinsam mit der Letzten Instanz begab man sich auf die „Flucht ins Glück“. Dort angekommen steigerte sich die Stimmung zusehends. Lautstark singend begleitete die Menge die Band, tanzte ausgelassen und trieb das Stimmungsbarometer in die Höhe. Auch Frontsänger von Emil Bulls, Christoph von Freydorf, gab sich publikumsnah. Energiegeladen zeigte man sich auf der Bühne, die Zuschauer nahmen unterdessen diese Energie auf und der Hexenkessel begann zu brodeln. Mit Epica und ihrem Symphonic Metal wurde es melodischer auf der Bühne und Simone Simons und ihre Mannen überzeugten nicht nur mit einer perfekten Show, sondern auch mit einem breiten Repertoire. Mit einer imposanten wie auch okkulten Bühnenshow warteten die Polen von Behemoth auf und brachten die Masse mit aktuellen Songs des Albums „The Satanist“, wie auch Klassikern zum Ausrasten. Die nun schon kochende Menge verlagerte sich noch einmal von der Dark- zur Rockstage, wo die Nordländer Hammerfall die Fans zum Toben und den Kessel zum Überkochen brachten. „Bang Your Head“, „Let The Hammer Fall“ und „Hearts On Fire“ blieben jedoch nicht die einzigen Klatsch- und Headbang-Garanten.
Nach einem kurzen Kulturprogramm im malerischen Städtchen Quedlinburg, ging es auch für mich frühen Freitag wieder aufs Festivalgelände. Dort enterten die Engländer Devilment gerade die Bühne und versuchten die lichte Menge zum Mitmachen zu bewegen. Leider hielt sich auch bei The Gentle Storm die Aktivität des Publikums noch in Grenzen, obwohl das talentierte, wie auch optisch ansprechende Frauentrio mit Anneke von Giersbergen, Marcela Vovio und Merel Bechthold ihre Songs mit strahlender Begeisterung performten. Delain und deren Frontfrau Charlotte Wessels hingegen schienen der Menge einen Energieschub verpasst zu haben. Von Beginn an sang das Publikum lautstark mit und das Infield verwandelte sich in eine Partyarea. Während Betontod mit authentischem Punkrock überzeugten, verbreiteten Coppelius mit schwungvoller und härtester Kammermusik gute Laune. Das Stimmungsbarometer erhielt einen kräftigen Aufschwung. Mehr und mehr Crowdsurfer ließen sich auf Händen des Publikums nach vorn tragen und verlangten den Security im Fotograben Höchstleistungen ab. Die Bedenken des Schandmaul Frontmanns Thomas Lindner, man könne keinen Metal, man wäre Geschichtenerzähler gingen in lautem Jubel und donnernden Schandmaul-Rufen unter. Wo Schandmaul draufsteht, ist Stimmung drin. „Wir sind frei, wie die Vögel. Wir sind vogelfrei.“ Auch die anwesenden Metaller kannten die Geschichten und zeigten sich textsicher und vor allem äußerst lautstark. Die Masse ging mit, sang, klatschte und feierte die Mittelalter Folk Rocker bis man letztendlich gemeinsam an der Teufelsmauer die „Walpurgisnacht“ zelebrierte. Auch die Kalifornier W.A.S.P zeigten sich überaus spielfreudig und hängten noch einige Extraminuten an. Energiegeladen übernahm anschließend Eisbrecher Kapitän Alex Wesselsky das Ruder und gab den Befehl „Volle Kraft Voraus“. Von der Bühne hagelte es Eisbrecherhits am Stück, die Fotografen hingegen ließen als Gimmick für den Checker rote Rosen regnen. Die Fans begeistert, die Crew spielfreudig und die Lichtshow grandios.
Die Pagan-Metaler von Asenblut bildeten den Samstagsopener und eine doch beachtliche Menge Zuschauer hatte es zu dieser frühen Mittagsstunde auf das Konzertgelände gezogen. Während Frontmann Tetzel seine Songs in die Masse schrie und dafür in die Höhe gereckte Pommesgabeln erntete, entlockte er so manch junger Dame, ob des durchtrainierten Bodys, ein bewundernswertes Seufzen. Auch die Hannoveraner Cripper boten eine Kombination aus Augenschmaus und Ohrendröhnung. So klein und zierlich die charismatische Frontfrau Britta Görtz auch wirkte, ihre Death Metal Grunzer bliesen einem die Gehörgänge frei. Im Anschluss hallten die Schlachtrufe der Wölfe von Varg über den Platz, gefolgt von den epischen Power-Metal Klängen von Orden Ogan, welche die Fans begeisterten und die Nackenmuskeln strapazierten. Die Apokalyptischen Reiter setzten zum stürmischen Ritt durch ihr bisheriges Schaffenswerk an. Die Fans hielten mit und zelebrierten zur abschließenden „Reitermania“ eine große Wall of Death. Ein breites Repertoire boten auch die Schweizer Folk-Metaler Eluveitie und sorgten mit „Uis Elveti“ und „Inis Mona“ für ausgelassene Partystimmung, in die Höhe gereckte Pommesgabeln und wedelndes Haupthaar. Während mit Soulfly und Cradle of Filth die dunkleren Töne Einzug hielten, überzeugten die Headliner aus Übersee, Dream Theater, mit unglaublichen Gitarrenriffs und virtuosem Trommelfeuer. Ein würdiger Abschluss eines ereignisreichen und interessanten Festivalwochenendes.
Trotz ausverkauftem Ticketkontingent bewahrte sich das Rockharz-Festival noch immer diese familiäre Atmosphäre. Hinzu kamen erschwingliche Preise, ein abwechslungsreiches Line Up und eine entspannte Security. Ein herzlicher Dank auch an die Veranstalter, die trotz einiger Herausforderungen eine Top Organisation lieferten, denn man bedenke, dass eine Veranstaltung dieser Größenordnung eine gewisse logistische Meisterleistung erfordert.
Auch unter dem herzlich-verrückten Fotografenvolk galt es alte Freunde zu treffen, neue Bekanntschaften zu schließen und vor allem die gemeinsame Zeit zu genießen. Mit Euch jederzeit, jedoch spätestens in einem Jahr am Fuße der Teufelsmauer, wenn hämmernde Metalriffs das Fegefeuer anheizen und dröhnende Metal-Grunzer dem Teufel den Schlaf rauben.