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Von Spielmannsleuten und Rattenfängern

Saltatio Mortis-10Das Mittelalter rockt ~ Saltatio Mortis und Feuerschwanz im Club Centrum

16.10.2009 [db] Du willst ausbrechen. Du willst raus aus dem Alltagsgrau. Kannst die Endlosschleife der Retortensongs im Radio nicht mehr hören. Jeden Tag dasselbe. Immer gleich. Ohne Seele. Wo gehst du hin? Bist du allein? Wer kann dich befreien? Kehr im Centrum ein, wenn sie nach dir rufen. Sei willkommen hier, unter ihnen – den Spielmannsleuten, Rittern, Waldläufern und Vagabunden. Geh in der Zeit zurück. Das Mittelalter ist lebendig. Es springt. Es lacht. Es widmet sich der höheren und niederen Minne. Frönt dem Met und dem Weib. Es ist farbenfroh. Es trägt Gewandung und Rüstung. Es hat den Schalk im Nacken. Und sein Volk hütet das letzte Einhorn. Sing und tanz mit dem Feuerschwanz.

Bevor die Spielleute von Saltatio Mortis im Centrum aufspielen konnten, erklomm Hauptmann Feuerschwanz mit seinem Gefolge die Bühne. Sie kündeten von allerlei. Von Schneewittchen und ihrem Prinzen, Schweinskram, Met und Weibern. Sie konnten nicht aufhören zu lächeln. Man muss Hauptmann Feuerschwanz dankbar sein, dass er sich nach dem wohl glorreichen Ende seiner Kampfkarriere den Gesangskünsten widmet. Der sehr gut gefüllte Club schrie sich eineinhalb Jahre nach dem letzten Stopp der Band hier die Seele aus dem Leib. Das Publikum fiel auf die Knie für sie. Wahrlich. Wie schrieb man einst so schön im Sonic Seducer: “Was die Ärzte für die leichte Rock- bis Punkrock-Richtung sind, das sind Feuerschwanz mittlerweile für die Mittelalterszene. Hinter der offenbaren Lächerlichkeit verbirgt sich kompositorische Genialität, von der sich viele Kollegen ein Scheibchen abschneiden können.” Es fällt schwer noch etwas hinzuzufügen. Sollte man noch nie in den Genuss gekommen sein, Feuerschwanz live zu erleben, so kommt man nicht umhin ihnen zu verfallen. Vom ersten Takt an. Vom ersten verschmitzten Grinsen an. Saltatio Mortis taten gut daran, diese Bande zu verpflichten. Sie würden es aber auch schwer haben, die Stimmung noch zu steigern. Dachte man. Durch die Bank weg unterhaltsam. Tanzbar. Springbar und brachial. Das Mittelalter rockt wahrlich. Es hat Esprit. Man kam ins Schwärmen. Man bekam Durst auf Met. Und Sehnsucht nach Ritterspielen, Gauklern und Jahrmärkten. Sie tanzten gemeinsam mit dem Publikum den Lindwurm, gemeinhin als Polonaise bekannt. Die Zeit flog dahin, wie immer, wenn etwas zu schön ist. Viel zu schnell war der erste Teil des Abends vorbei, viel zu wenig Wahrheit über Prinzen und Prinzessinnen hatte man erfahren. Doch das Publikum verlangte nach einer Zugabe. Der Durst nach mehr wurde gestillt. Ich habe noch nie erlebt, dass die Meute während der Vorband schon derart entfesselt ist.

Während der Umbaupause erklangen Instrumentalstücke alter Saltatio Mortis-Songs vom Band. Gefolgt von einem pulsierenden Intro. In sanftes Licht getaucht betraten die Spielleute die Bretter, die für so viele die Welt bedeuten. Wer Wind sät, wird wie Saltatio Mortis, Stimmungen am Siedepunkt ernten. Die Laune, mit der sie ihre Songs hinaus schmettern steckt an. Sie sind spielfreudig durch und durch. Sie lieben, was sie tun. Sie lieben, dass die Fans sie lieben. Oh ja. Man konnte es am Glanz ihrer Augen erkennen. Nimm deine Würfel in die Hand. Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum. Tanz für mich, Salome!

Gesangsfloh Alea stand schon nach dem zweiten Lied, ob seiner Akrobatik, der Schweiß auf der Stirn. Dem Publikum schien es nicht anders zu gehen. Man habe schließlich Zeit genug gehabt, sich zu erholen, um an diesem besonderen Abend einmal triefend nass zu sein. Gespickt mit kleinen und großen Geschichten, immer lebendig, rasten sie durch den Abend. Spielten sie um ihr Leben. Bei solchen Konzerten steigt der Puls, die Sinne rasen. Der Saal vibriert unter den Füssen der Tanzenden, unter den handgemachten Klängen, die von der Bühne herab schallen und Gänsehaut stellt sich ein. Niemals mehr will man schnöde Radiomusik hören. Das klingt nicht richtig. Ist nicht echt, leer und leblos. Der Unterschied wurde umso deutlicher, wenn man den Club verlassen musste, um zur Toilette zu gelangen und von gegenüber Techno zu hören war. Der Gang zurück zu den Spielleuten war schnell.

Saltatio Mortis sind mit ihrem mittlerweile achten Studioalbum “Wer Wind Sæt” auf Platz 10 der MediaControl Charts eingestiegen. Sie haben sich über die Jahre eine breite Fanbase erspielt. Menschen, die ihre Musik kaufen. Doch kann die Konserve nicht ihre Livepräsenz ersetzen. Sie sind mitreißend. Ehrlich. Ihre Songs prägen sich ein, sie berühren – federleicht, schmerzhaft, wahr und voller Liebe zum Spiel. Die Band hat den Begriff Hexenkessel an diesem Abend neu definiert. Band und Fans hatten sich gegenseitig fest im Griff. Es sind am Ende nur Noten, Töne, Klänge, eine Stimme. Und doch ist es alles. Spielt auf! Für den Augenblick. Im Februar gastieren sie wieder in der Nähe – dieses Mal in Bad Salzungen. Den Termin muss sich nach diesem Erlebnis fest vormerken. Ein Abend am Rande des Wahnsinns – unbeschreiblich schön, voller Melodie, voller Leben, voller Spiel. Noch einmal!

Sie sind wie der Wind, wild und frei. Geboren, um Spielmänner zu sein.

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